Nachruf für Prof. Dr. Eberhard Greiser
Von Helmut Breidenbach, Ehrenpräsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm
Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm trauert um einen hervorragenden Wissenschaftler, den Epidemiologen Prof. Dr. Eberhard Greiser.
Wir haben ihn in Köln kennengelernt und seine Studien zu den gesundheitlichen Folgen der Lärmbelastung am Flughafen Köln/Bonn begleitet. Dieser hat einen 24 Std-Betrieb und die damals höchste Nachtflugbelastung der deutschen Flughäfen.
Die Untersuchungen von Prof. Greiser stützten sich auf die Daten von fast einer Million Versicherten verschiedener gesetzlichen Krankenkassen mit Wohnsitz in Köln, demRhein-Sieg-Kreis und dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Ziel der Studie war es, mit Hilfe dieser Daten den Einfluss von Fluglärm auf die Verschreibung bestimmter Medikamente zu untersuchen.
Diese erstmalige Untersuchung erforderte einen gemeinsamen sehr langen Anlauf, um die Start- und Landezeiten der Flugzeuge, die Lärmpegel und vor allem die anonymisierten Daten der Krankenkassen zu bekommen, die dann übereinandergelegt wurden.
Das Ergebnis zeigte, dass sowohl die Verordnungshäufigkeit als auch die Verordnungsmenge relevanter Arzneimittel in Abhängigkeit von der Lärmintensität erhöht waren, dies vor allem bei Verschreibungen von Medikamenten gegen Bluthochdruck, zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen, von Tranquilizern, Beruhigungs- und Schlafmitteln sowie Antidepressiva. Häufigkeit und Menge der Verordnungen stieg in Korrelation zur Intensität des Fluglärms. Da der Fluglärm das Immunsystem schwächt, hätten sich in Flughafenregionen auch die Krebserkrankungen erhöht. Frauen leiden nach dieser Studie mehr unter Fluglärm als Männer. Eine derart umfassende Studie war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland einmalig.
Als Nebenergebnis zeigte sich, dass die schädlichen Wirkungen des Fluglärms sich bereits bei einer weitaus geringeren Lärmintensität 48 dB (A) bemerkbar machen, als in der damals wegweisenden DLR-Studie angenommenwurde.
Die Kölner Ergebnisse fanden große Beachtung in der Fachwelt und riefen natürlich die Gegenseite, die Flughäfen und die Luftverkehrsverbände auf den Plan, die in teilweise subtiler Art versuchten, die Ergebnisse zu banalisieren und Prof. Greiser unglaubwürdig zu machen. Der blieb erstaunlich gelassen, waren doch seine Ergebnisse von einem Gremium aus sechs weiteren Wissenschaftlern abgesichert.
Wir haben ihn als außergewöhnlichen Wissenschaftler kennengelernt, der selbstbewusst aber dennoch bescheiden und souverän auftrat, mit dem klaren Ziel den vom Fluglärm betroffenen Menschen Argumente zu liefern und die Entscheidungsträger in der Politik zum Einlenken zu bewegen.
Es war gewissermaßen ein Marathon über mehrere Jahre vom Datensammeln bis zu den vielbeachteten Gutachten, später auch an anderen Flughäfen. Aber auch im Privatleben lief er selbst im vorgerückten Alter im Sport diese Langstrecke. Ein bewegtes Leben vom Direktor und Gründer des heutigen Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen bis zu seiner Avocado-Plantage in Spanien, wo er kürzlich gestorben ist.
Wir werden Prof. Dr. Eberhard Greiser mit großem Respekt in dankender Erinnerung behalten.