Forderungen an einen zukünftigen Luftverkehr
Seitdem die Beschränkungen während der Corona-Pandemie aufgehoben bzw. gelockert worden sind, versucht der Luftverkehr auf den bis 2019 verfolgten Wachstumskurs zurückzukehren. Die Zahl der Flugbewegungen und der Passagiere nimmt zu, zugleich steigt die Belastung der Menschen im Umfeld der Flughäfen.
Der Luftverkehr ist die klimaschädlichste Mobilitätsform. In den vergangenen Jahren ist die Dringlichkeit der Vermeidung von klimaschädlichen Emissionen noch deutlicher geworden. Die Mitglieder der Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V. sind davon überzeugt, dass die Erreichung der Klimaneutralität (Europäische Union 2050, Deutschland 2045) nur gelingen kann, wenn der Luftverkehr in Deutschland, europa- und weltweit schrumpft. Die Substitution von Kerosin durch Power-to-Liquid (PtL) oder andere Ersatzlösungen, sind Scheinlösungen.
Nur wenn die Zahl der Flugbewegungen kontinuierlich zurückgeht, kann auch der gesundheitsschädigende Fluglärm und die Belastungen durch Feinstaub reduziert werden. Aktiver und passiver Lärmschutz als flankierende Maßnahmen allein lösen das Problem nicht.
Vor diesem Hintergrund setzt sich die Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V. (BVF) und ihre Mitgliederorganisationen für folgende Forderungen ein:
- Streichung aller Subventionen, einschließlich Quersubventionen und Steuervergünstigungen für die Fluggesellschaften und Flughäfen sowie Beseitigung von Incentive- und Rabattprogrammen, die nicht einem nachhaltigen Luftverkehr dienen;
- Einbeziehung des Luftverkehrs in das System der CO2-Bepreisung und vollständige Erfassung aller Klimaeffekte des Luftverkehrs;
- Deutliche Erhöhung der Lärm- und Schadstoffkomponenten als Teil der Landegebühren, vor allem für die Nachtzeit und Überführung in ein Kompensationssystem, mit dessen Einnahmen die Ansprüche der Anwohner*innen und Kommunen aus Wertminderungen und Belastungen unbefristet ausgeglichen werden;
- Regelmäßige Anpassung der Luftverkehrsabgabe und Einrichtung eines Ausgleichsfonds für vom Luftverkehr verursachte Belastungen und Schädigungen im Gesundheits- und Sozialbereich;
- Vollständiger Abbau aller Kurzstreckenflüge, beginnend mit Flügen unter 600 km bis 2030; Förderung des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsstrecken, auch im grenzüberschreitenden Schienenverkehr;
- Damit die freiwerdenden Kapazitäten nicht für andere Strecken genutzt werden, müssen die Slots an den Verkehrsflughäfen jedes Jahr um 3% gekürzt werden;
- Beseitigung des Privilegs des Luftverkehrs und Einbeziehung des Luftverkehrs in den Rahmen einer Gesamtlärmbetrachtung. Dazu bedarf es einer grundlegenden Überarbeitung des Fluglärmgesetzes von 2007 (FluLärmG) und dessen Ausgestaltung im Sinne der aktuellen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung. Die Differenzierung zwischen Ausbau-, Bestands- und Militärflughäfen ist aufzugeben;
- Entwicklung von Lärmaktionsplänen an allen Verkehrsflughäfen mit verbindlichen Lärmminderungszielen, orientiert an den WHO-Werten und der Beachtenspflicht durch Luftverkehrsbehörden, Flughafenbetreiber und Luftverkehrsgesellschaften. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) muss zur sicheren, geordneten, lärmarmen und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs verpflichtet werden;
- Einführung von Nachtflugverboten zwischen 22 und 6 Uhr an allen deutschen Flughäfen zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner;
- Eine missbräuchliche Nutzung von Slots (z.B. regelmäßige Verstöße gegen die Nachtflugbe- stimmungen, bewusste Startverzögerung in die Nacht hinein) und die Hervorrufung vermeidbaren Lärms müssen sanktioniert werden;
- Alle mit hoheitlichen Aufgaben im Luftverkehr befassten Institutionen und Behörden, insbesondere die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF), werden Fachplanungsbehörden im Sinne des Planungsrechts;
- Die Beteiligungsrechte der vom Luftverkehr betroffenen Bürgerinnen und Bürger und der Kommunen werden gestärkt;
- Die Grenzwerte für NOx und Feinstaub werden gesenkt, damit diese das gesundheitlich vertretbare Risikoniveau berücksichtigen;
- Für Ultrafeinstaub (PM 0,1) sind europäische Grenzwerte festzulegen, die an den Empfehlungen der Gesundheitswissenschaft ausgerichtet sind. Bis dahin gilt das Minimierungsgebot;
- Die Flughäfen werden verpflichtet, Maßnahmen zur Reduzierung der UFP-Emissionen „am Boden“ zu ergreifen;
- Die Flugkraftstoffanbieter werden verpflichtet, dass der gesamte Flugkraftstoff, der Luftfahrzeugbetreibern an jedem Flughafen der Union zur Verfügung gestellt wird, einen Gehalt an aromatischen Verbindungen von höchstens 8 % und einen Schwefelgehalt von höchstens 10 ppm hat.
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BVF-Position: „Luftverkehr muss Wachstumskurs verlassen – Forderungen an einen zukünftigen Luftverkehr“
Pressemeldung: „Der Luftverkehr muss seinen Wachstumskurs verlassen“
Ziele und Forderungen der Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V. resultieren aus ihrer Satzung. Im Vordergrund stehen dabei der Schutz vor Fluglärm sowie der Schutz der Landschaft in der Umgebung der Flughäfen und damit vor allem die Sicherung des Lebensraums der Menschen und der Schutz der Nachtruhe. Die Ausdehnung der Flughäfen muss sich dabei an der zulässigen Umweltkapazität ausrichten.
Im Rahmen der Aufgabenerweiterung für die Fluglärmkommissionen gem. § 32 b FluglärmG (Fluglärmgesetz) sind seit 1992 auch Maßnahmen zum Schutz gegen Luftverunreinigungen durch die Luftfahrt dazu gekommen. Damit ist mittelbar die Klimaproblematik des Luftverkehrs angesprochen.
Viele der derzeitigen, vor allem aber der künftigen Regelungen, sind international bestimmt, werden von Seiten der ICAO oder aber der EU-Kommission vorgegeben und in nationale Regelungen übernommen. Hier gilt es zunehmend über die Europäische Vereinigung (UECNA) gegen die schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs Einfluss zu nehmen sowie den Prozess der Umsetzung in deutsches Recht zu begleiten.
Im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Umgebungslärmrichtlinie sind bereits in vielen größeren Flughafenstandorten mit mehr als 50.000 Flugbewegungen p. a. zunächst Lärmkarten und dann Lärmaktionspläne unter Beteiligung der Öffentlichkeit erstellt worden. Diese gilt es nun sukzessive umzusetzen.
National wurde 2007 ein neues Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm verabschiedet und löste damit das Vorgängergesetz aus dem Jahr 1971 ab. Das neue Gesetz beinhaltet weiterhin nur Vorkehrungen zum passiven Schallschutz und legt einzelne Siedlungsbeschränkungsmaßnahmen fest. Vorgaben für einen aktiven Schallschutz fehlen weiterhin.
Das Gesetz bleibt weit hinter den Erwartungen und seiner eigenen Zielsetzung zurück und berücksichtigt nicht die neueren Erkenntnisse der Lärmmedizin. Die Grenzwerte für den Einsatz von passivem Schallschutz sind weiterhin viel zu hoch und befinden sich an der Grenze zur Gesundsheitsgefährdung – ein präventiver Schutz der Bevölkerung findet nicht statt. Menschen im Umfeld bestehender Flughäfen haben zudem weitaus höhere Lärmwerte zu ertragen als solche an neu zu errichtenden Flughäfen. Insbesondere der Schutz vor nächtlichem Fluglärm ist völlig unzureichend. Die zugesagten Schallschutzmaßnahmen werden zudem erst frühestens nach sieben Jahren begonnen. Durch inzwischen eingetretene Verzögerungen bei der Berechnung der Lärmschutzzonen verschieben sie sich unzumutbar noch weiter nach hinten.
Entgegen seinem Namen schützt auch das neue Gesetz damit eher die Flughäfen vor den Menschen als die Menschen vor Fluglärm. Es war bei Einführung bereits ebenso überholt, wie das erste Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm bei seiner Verabschiedung im Jahr 1971. In einem neuen Gesetzgebungsverfahren sind deutliche Nachbesserungen notwendig.