Kardiologe Thomas Münzel fordert: Nachtflugverbotkonsequenteinhalten!

Thomas Münzel ist Seniorprofessor am Universitätsklinikum der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Abteilung für Kardiologie.

Nachtflüge über Wohngebiete müssen konsequent unterbunden werden, fordert der Kardiologe Thomas Münzel. Das gesundheitliche Risiko für Anwohnerinnen und Anwohner sei während der Schlafzeit am höchsten, erklärt der Seniorprofessor am Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Fluglärm beeinträchtige tagsüber die Konzentration, störe aber vor allem den Nachtschlaf – mit gravierenden Folgen für das menschliche Herz-Kreislauf-System.

Bei starker Lärmbelastung würden zunehmend Stresshormone ausgeschüttet, so Münzel. Die Wissenschaft spreche von „Belästigungsreaktionen“, bei denen – wenn sie mehrere Wochen oder Monate lang anhalten – der Körper vermehrt Herz-Kreislauf-Risikofaktoren ausbilde: “Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin gehen hoch und die Blutgerinnung wird aktiviert. Besteht diese Situation gar über mehrere Jahre, treten vermehrt klassische Herzkreislauferkrankungen auf: koronare Herzerkrankung, Herzschwäche, Herz-Rhythmus-Störungen und Schlaganfälle.“

Daher sei es von besonderer Bedeutung, dass die gesetzlich definierte Nachtzeit bei der Umsetzung von Nachtflugverboten über den vollen Zeitraum von 22 bis 6 Uhr eingehalten werde und nicht – wie etwa am Frankfurter Flughafen – nur von 23 bis 5 Uhr. “In Studien mit Studenten als Probanden haben wir herausgefunden, dass Fluglärm selbst bei gesunden Menschen schon in kürzesten Zeiträumen zu Störungen der Gefäßfunktion führt“, so Münzel. Dieser Effekt setze schon bei Dauerbelastungen von 50 bis 60 Dezibel ein, die der Lautstärke eines Gesprächs entsprechen. “Bei Patienten, die bereits herzkrank sind, ist diese Beeinträchtigung noch deutlich stärker ausgeprägt“, betont der international renommierte Experte. “Es ist wissenschaftlich erwiesen: Fluglärm macht krank – und hier insbesondere Nachtfluglärm!“

WHO und Europäische Umweltagentur gehen europaweit von zehn- bis zwanzigtausend Todesfällen pro Jahr aus, die durch Verkehrslärm verursacht werden. Die dänische Epidemiologin Mette Sørensen dagegen hält die realen Zahlen für deutlich höher. Nach ihren Berechnungen könnten jährlich etwa 110.000 Todesfälle vermieden werden, wenn die durchschnittliche Lärmbelastung in der Umwelt unterhalb des Grenzwertes von 55 Dezibel gehalten würde.

Der Kardiologe Thomas Münzel verweist auf eine Reihe technischer Möglichkeiten, sogenannte „Aktive Schallschutzmaßnahmen“, um Fluglärmpegel zu reduzieren. Dazu gehöre der kontinuierliche Sinkflug, bei dem Flugzeuge im Leerlauf auf die Landebahn einschweben. Lärmmindern wirke auch, wenn höher geflogen und steiler gelandet werde. “Zudem sollten vermehrt Routen über bevölkerungsarme Gebiete angesteuert werden“, fordert Münzel.

Anwohnerinnen und Anwohner sollten versuchen, die Belästigungsreaktion durch individuelles Training zu reduzieren. “Versuchen Sie, sich bis zu einem gewissen Grad an den Lärm zu gewöhnen, ihn auszublenden!“, empfiehlt der Kardiologe. Das Risiko künftiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen lasse sich so deutlich verringern.

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