Sonderthema Flughafen

Derzeit wird in Kiel heftig diskutiert, ob die Startbahn des Flughafens in Kiel-Holtenau verlängert  werden soll. Was hat dieses jedoch mit der Schleswig-Holstein-Schiene, dem Magazin der Fahrgäste im hohen Norden, zu tun? Zweierlei:

1. Jüngst wurde eine Verlegung der B503 in die Diskussion eingebracht. Über diese Straße verkehren täglich rund 350 Linienbusse, für die der Umweg erhebliche Kostensteigerungen und für die Fahrgäste noch längere Fahrzeiten bedeuten würde.

2. Diese Startbahnverlängerung würde Investitionsgelder in dreistelliger Millionenhöhe verbrauchen, die dann auch dem Etat für Verbesserungen im öffentlichen Personenverkehr (ÖV) fehlen würden. PRO BAHN hat schon früher auf die Vorteile und Notwendigkeit einer Flughafenanbindung Schleswig-Holsteins an Hamburg-Fuhlsbüttel hingewiesen, die die Interessen von Flug- und Fahrgästen berücksichtigt. PRO BAHN widmet sich daher auf diesen in letzter Minute vor dem Versand eingebrachten Sonderseiten diesem Thema.

Zu 1.:

Eine einfache Auszählung der Busfahrten der Linien 33; 91; 501; 502; 901; 902 ergab ca. 350 Busfahrten pro Tag (jeweils Montag - Freitag). Faßt man Sonnabende und Sonntage als jeweils einen Tag zusammen wird man dort auf eine ähnliche Anzahl kommen. Daraus ergeben sich:

ca. 350 Busfahrten pro Tag

* 6 Tage pro Woche
* 52 Wochen pro Jahr
* ca. 2 km Umweg pro Fahrt
* ca. 5 DM Kosten pro km

= ca. 1 Millionen DM pro Jahr

Dieses ist wie gesagt nur eine untere Abschätzung. Es kommen noch Betriebsfahrten hinzu, die in Kiel bekanntermaßen einen hohen Anteil ausmachen (siehe Diskussion zur KVAG in den Kieler Nachrichten). Der Kostensatz (DM/km) liegt höher als die angenommenen 5 DM/km (siehe ebenfalls Diskussion zur KVAG in den Kieler Nachrichten). Werden diese Mehrkosten von den Fliegern bezahlt, oder müssen wir Fahrgäste wieder ran?
Die Anbindung Holtenaus verlängert den Weg für Busse weit stärker als für PKW. Wird es zur Kompensation bzw. zur Vermeidung eines weiteren Attraktivitätsverlustes des Busverkehrs gegenüber dem PKW zusätzliche Busverkehre geben? Falls nicht, wieviele Busse werden diesen Umweg dann nicht mehr fahren, sprich inwiefern wird Holtenau seiner Busanbindung beraubt?

zu 2: Zug nach Fuhlsbüttel als Alternative

Neue Gutachten zum Flughafenausbau Kiel-Holtenau

Ein S-Bahntunnel zu dem bereits unter Terminal 4 gebauten Flughafenbahnhof schließt Hamburg bald gut an den Flughafen Fuhlsbüttel an. Doch wie wird dann Schleswig-Holstein und somit auch Kiel an den Flughafen Hamburg angebunden werden? Bisher existiert lediglich eine Buslinie nach Neumünster und Kiel. Die Varianten lassen sich in zwei Gruppen einteilen:

1. Varianten über Elmshorn folgen der Hauptstecke von Kiel bis Hamburg-Eidelstedt, um dann über die nördliche Güterumgehungsbahn den Flughafen mittels eines neuen Tunnel oder einer Verbindung zum entstehenden S-Bahntunnel zu erreichen. Weitgehend ist diese Strecke bereits gut ausgebaut. Mit der Nutzung der Güterstrecke besteht die Chance des Aufbaus neuer Tangentiallinien in Hambug. Zugflügelungen und ein neuer Bahnhof im Westen Hamburgs kann Betriebskosten einsparen helfen.

2. Bei Varianten über Ulzburg soll ein neuer nach Norden führender Tunnel die AKN-Strecke nach Neumünster wahlweise über Quickborn oder Norderstedt erreichen. Vorteile bieten die erheblichen Verbesserungen für die bisher schwach ausgebauten und langsamen Verbindungen Neumünster - Ulzburg - Hamburg.
Derart detaillierte und exakte Berechnungen kostenlos anzustellen kann nicht die Aufgabe ehrenamtlicher Verbandstätigkeit sein. Darum hat PRO BAHN auf eine Untersuchung der Schienenanbindung nach Fuhlsbüttel gedrängt. Die Ergebnisse des Gutachtens der LVS wurden am 05.09.2001 vorgestellt und sind im Internet erhältlich (MWTV 2001). Das Ergebnis:
Die Flughafenbahn sei keine Alternative und sogar ökonomisch
ja sogar ökologisch schlechter als die bestehende Busanbindung. Zwar haben wir noch viele Bemerkungen und Fragen zu den angewendeten Hochrechnungen für Kosten oder zur Wahl der Fahrzeuge bzw. den für notwendig angesehenen teuren Bauten. Sich aber nur mit diesen ingeneurtechnischen Fragen zu beschäftigen hieße jedoch lediglich an Nachkommastellen zu drehen ohne zu merken, daß die Vorkommastellen das Problem sind.
Aus der Sicht von PRO BAHN mußte es zu diesem Ergebnis
kommen, weil der Flughafen-Express als ein Fremdkörper im Bahnsystem behandelt wurde. So heißt es, daß man "die Zeitlagen des geplanten Integralen Taktfahrplanes (ITF 2002) voraussetzt in die der Flughafenexpreß .... unterzuordnen sei". Man stelle sich vor, es wäre dem Bus verboten worden langsamere Fahrzeuge zu überholen. Noch grotesker erscheint dabei die Begründung der "Flughafenexpreß sollte zu keiner Verschlechterung des allgemeinen Bediengsangebotes führen". Als dürften ausschließlich Fluggäste diesen Zug benutzen.
Der Flughafenexpreß kann ein hervorragender Bestandteil des
ITF sein und wesentlich zu seiner Verbesserung beitragen, was aber nicht untersucht wurde. Schon fast gebetsmühlenartig weisen die Gutachter deshalb auch darauf hin, daß Synergieeffekte ausgelassen und der Flughafenexpress isoliert ja sogar unterrangig betrachtet wurde. Somit erklären die Gutachter selbst die gemachten Studien für unvollständig. Vermutlich ist dieses eher ein Problem der Aufgabenstellung als eines der Gutachter. Dieses Gutachten beantwortet jedenfalls nur die Frage, ob ein Flughafenexpreß in den Fahrplan als Fremdkörper untergeordnet eingefügt werden kann und die Fluggastzahlen alleine ausreichen, die Züge zu füllen. Daß dieses verneint wurde zeigt lediglich, daß Bahnfahrpläne von der Integration verschiedener Linien leben und daß das Fluggastaufkommen (Passagiere/Jahr) insgesamt am Verkehr eine niedere Rolle spielt.

PRO BAHN Konzept "Der Flugzug"

Was muß noch untersucht werden:

Die Frage einer Schienenanbindung wurde schon einmal gutachterlich untersucht. Der Auftaggeber war damals zwar nicht die LVS. Sie wurde erst Jahre später gegründet. Hinter der LVS steht jedoch das Verkehrsministerium und dieses hatte 1990 die Schienenanbindung des Flughafens Fuhlsbüttel an das Land Schleswig-Holstein begutachten lassen (DE-Consult; 1990), wenn auch nicht vor dem Hintergrund einer Diskussion um den Flughafen Kiel. Trotzdem oder vielleicht deshalb kam man damals zu einer Variante, die für die Strecke Kiel Hbf - Hamburg-Flughafen lediglich 49 Minuten benötigt. Die Ausbaukosten wurden zu 214 Millionen DM berechnet. In dem neuen Gutachten (MWTV 2001) wurden zwar die gleichen streckenseitigen Maßnahmen vorgesehen nicht aber die fahrzeugseitigen. Dadurch kam es zu einer massiven Fahrzeitverlängerung, die durch die Unterordnung des "Flugzuges" unter den angesetzten Fahrplan (ITF, 2002) weiter verschlechtert wurde. Wie jedoch der Fahrplan des PRO BAHN Konzeptes zeigt, kann das Angebot sehr wohl zum Nutzen aller miteinander verknüpft werden. Damit wäre dann sogar die als Hauptforderung an das Gutachten gestellte Fahrzeit einer Dreiviertelstunde Kiel Hbf - Hamburg-Fuhlsbüttel im Rahmen der 10%-Genauigkeit erreicht. Mit der gleichen Genauigkeit würde dann die Halbstundenisochrone bis nach Neumünster reichen.

Der Flugzug:

- Ausbau der AKN-Strecke auf 160 km/h

- Einsatz von Neigetechnik

- Flughafentunnel ab Hasloh

- Stundentakt

- Knoten Neumünster zur vollen Stunde

- evtl. Verlängerung nach HH-Hbf.

-Umfahrung Kaltenkirchen

- Verknüpfung Ulzburg oder Ulzburg Süd

-Weitere Halte denkbar

-Kiel HH-Hbf 71Min.

Kostenvergleich (Schätzung):

Diese Zahlen gilt es zu verifizieren bzw. neu zu kalibrieren.
MWTV,2001: 280 Mio.DM Investition ->
- Betriebskosten
+ prognostizierte Fluggäste
= Bilanz

Flugzug: 280 Mio. DM Investition ->
+ Ersparnis Betriebskosten
+ 50 Mio. DM Ersparnis 3. Gleis ->
+ prognostizierte Fluggäste
+ Mehr Fluggäste vom Auto
+ Mehr Fahrgäste vom Auto
(geschätzt 1500 Fahrgäste / d * 0,15 DM / km * 70 km)
= Bilanz

-17 Mio. DM / a
-21 Mio. DM / a
   7 Mio. DM / a
-31 Mio. DM / a

-17 Mio. DM / a
   1 Mio. DM / a
   3 Mio. DM / a
   7 Mio. DM / a
   2 Mio. DM / a
   5 Mio. DM / a

  +1 Mio. DM / a

Weit interessanter jedoch wäre die Möglichkeit der Weiterfahrt zum Hauptbahnhof in Kiel über Ohlsdorf. Diese wurde zwar 1990 ebenfalls untersucht, jedoch war damals noch nicht klar, wie der Flughafen von Hamburger Seite angeschlossen wird. Heute ist dieser Punkt geklärt (s.o.). Rechnet man somit zu den 49 Minuten Fahrzeit bis Fuhlsbüttel 3 Minuten Aufenthalt, 4 Minuten Fahrzeit bis Ohlsdorf und eine Viertelstunde Fahrt bis zum Hauptbahnhof hinzu ergibt sich eine Fahrzeit Kiel - Hamburg von 71 Minuten. Dieses ist die Fahrzeit eines ohnehin verkehrenden Regionalexpreßzuges Kiel - Hamburg heute noch über Elmshorn. Es wird nun interessant die RE Kiel - Hamburg auf dem Weg über Ulzburg und Flughafen ohne Umweg über Elmshorn und Pinneberg zu führen. Das Faszinierende ist dabei nicht nur, daß womöglich dadurch dort Kosten für den Bau eines dritten Gleises reduziert werden können. Nein, die Berechnungen zu den Betriebs- und Investitionskosten stünden auf einer neuen Grundlage. Statt zusätzlicher Zugkilometer würden sogar welche eingespart, da die Strecke ca. 7 km kürzer würde. Neue Fahrzeuge dürften nicht mehr als Kostenfaktor eingerechnet werden, da sie im Rahmen des ITF ohnehin angeschafft werden müssen. Die direkte Verbindung Kiels, ja ganz Schleswig-Holsteins, an Hamburg insbesondere an den Flughafen und die Geschäftstadt Nord sowie zahlreiche Wohngebiete würde massiv verbessert werden. Auch die Verbindungen Kiels mit Schleswig-Holsteins Süden.

Beispielfahrzeiten im Vergleich:

heute Flugzug
Kiel - Geschäftsstadt Nord 103' - 110'   58'
Kiel - Norderstedt 102' - 122'   51'
Elmshorn - Flughafen Fuhlsbüttel   64' -  85'   55'
Husum - Flughafen Fuhlsbüttel 151' - 179' 118'
Heide - Geschäftsstadt Nord 122' - 150'   90'

Fazit:

Trotz der Untersuchungen mehrerer Varianten einer Flughafenbahn nach Fuhlsbüttel bleiben noch viele Fragen offen. Klar ist nur eines geworden: Sollte die Entscheidung für bzw. über eine Startbahnverlängerung des Flughafens Kiel-Holtenau bei diesem Sachstand gefällt werden, so wird sie gefällt worden sein, ohne die Alternative einer Schienenanbindung Kiels bzw. Schleswig-Holsteins an den Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel sachgerecht zu prüfen. Wie die Schätzung der Kosten zeigt, können entsprechende Modelle wesentlich positivere Bilanzen erbringen. Diese Zahlen gilt es zu verifizieren bzw. neu zu kalibrieren.

Forderung:

PRO BAHN fordert daher die Verantwortlichen auf, diesen Sachstand bis zur Entscheidung herzustellen. PRO BAHN ist gerne bei der Erarbeitung der Kriterien behilflich. Bis dahin sind die Planungen für den Einsatz öffentlicher Gelder zum Ausbau der Startbahn einzustellen oder zumindest zu verschieben. Andernfalls ist davon auszugehen, daß eine Schienenanbindung an den Flughafen Fuhlsbüttel als Alternative von vornherein als abgelehnt galt und lediglich zum Schein geprüft wurde.

Am Rande bemerkt:

Als der Münchner Flughafen ins Erdinger Moos verlegt wurde, verlängerte sich die Fahrt dorthin auf ebenfalls eine Dreiviertelstunde. Von einem Zusammenbruch der Wirtschaft ist der PRO BAHN-Bundesgeschäftsstelle in München bisher jedenfalls nichts bekanntgeworden.

 

Literaturhinweise:

DE-Consult, 1990: "Schienenanbindung des Flughafens Fuhlsbüttel an das Land Schleswig-Holstein"; DE-Consult/AUCTOR/BVUim Auftrag des Ministers für MWTV des Landes SH; Frankfurt, Lörrach, Freiburg, 1990

MWTV, 2001: "Verbesserung der Verkehrsanbindung der Landeshauptstadt Kiel an den Flughafen Hamburg (PDF-Datei - 2.785.692 Bytes)"; itp; http://www.schleswig-holstein.de/landsh/mwtv/flughafen/downloads/verkehrsanbindung.pdf

ITF, 2002: Fortschreibung des ITF Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg; zur Zeit in Bearbeitung

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