Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten

"Alternativstandorte Flughafen Kiel-Holtenau"

 

(Weidleplan Consulting GmbH, Stuttgart, Gerd-Dieter Schmidt)

 

 

 

Gliederung:

  1. Einleitende Bemerkungen
    • Vorgaben der Auftraggeber
    • Zweifel an der Objektivität der Gutachter
  2. Wesentliche Kritikpunkte
    • Methodenbruch
    • Problematik der Isochronen
    • Methoden- und Berechnungsfehler
    • Verhältnis der Flughäfen Hamburg und Neumünster
    • Künftige Verkehrsentwicklungen (A20, Beltquerung)
    • Lärmbetroffene Bevölkerung
    • Baukosten
  3. Zusammenfassung

 

 

Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung Kiel-Holtenau e.V.

 

September 2001

1. Einleitende Bemerkungen

Vorgaben der Auftraggeber


Der eklatanteste Fehler, der die Ergebnisse des Gutachtens letztlich unbrauchbar macht, liegt bereits in der Vorgabe der Auftraggeber. Hierzu heißt es unter Ziff. 2.4 Kiel-Holtenau:

 

"Für Kiel-Holtenau wurden die Angaben der Potenzialanalyse Kiel-Holtenau, Dornier 01/01, gemäß Vereinbarung mit dem Auftraggeber übernommen. Dies betrifft Prognose, Bestandsanalyse, Ausbauplan, PKW-Fahrzeit-Isochronen und Schallimmissionsplan."

 

Dieser Umstand führt an entscheidenden Stellen des Gutachtens dazu, dass die für den Standort Holtenau maßgeblichen Basisdaten und Ergebnisse in keiner Weise hinterfragt, sondern den für die Alternativstandorte ermittelten Daten ungeprüft gegenüber gestellt werden (vgl. Ziff. 3.).

 

Eine vergleichende Betrachtung der Standorte hätte zudem eine Risikoabschätzung einbeziehen müssen. Für die Ausbauentscheidung spielt nämlich auch das Risikopotenzial der jeweiligen Standorte, welches sich in Holtenau aus den Faktoren Kanalbrücken, Schiffsverkehr (gefährliche Güter) auf Kanal und Förde, Tanklager, Munitionsdepot, Stadtlage und unmittelbar angrenzende Wohngebiete ergibt, eine beträchtliche Rolle.

Zweifel an der Objektivität der Gutachter

Der Gutachter muss sich fragen lassen, ob er mit der erforderlichen Objektivität und Unvoreingenommenheit an die Aufgabe herangegangen ist. Hieran bestehen zumindest Zweifel, weil die nachfolgend dargestellten Fehler und Mängel nur schwerlich mit handwerklichen Schwächen oder Rechenfehlern zu erklären sind (siehe Ziff. 3. und 5.). Im Bereich der vergleichenden Darstellung der Flughafenareale und Lärmimmissionen greift der Gutachter – bewusst oder unbewusst – sogar zum Mittel der Suggestion. So sind alle Photos der untersuchten Standorte aus einer Perspektive aufgenommen, die lediglich das unbebaute Geländeumfeld zeigt, obwohl gerade das Flughafengelände in Kiel-Holtenau inmitten einer unmittelbar an den Flughafenzaun heranreichenden Wohnbebauung gelegen ist. Bei der Auflistung der vom Lärm betroffenen Anwohner wählt der Gutachter die Isophone so eng, dass der Standort Holtenau weniger betroffen erscheint als der Standort Jagel (vgl. Ziff. 6).


2. Wesentliche Kritikpunkte

Methodenbruch

Die Vorgabe der Auftraggeber, für Holtenau die Ergebnisse der Potenzialanalyse zu übernehmen, verleitet den Gutachter zu einem verhängnisvollen Methodenbruch, der die gefundene Gutachtenergebnisse wertlos macht:

 

So ermittelt er die künftigen Fluggastpotenziale für die Alternativstandorte anhand einer konservativen Hochrechnung des tatsächlichen Fluggastaufkommens in der jeweiligen 45-Min-Isochrone (zur Problematik dieses Kriteriums siehe Ziff. 4.), während er für Kiel-Holtenau kurzerhand die mit der Szenariomethode geschätzten Fluggastzahlen aus der Potentialanalyse (Szenario 2) übernimmt.

 

Die vergleichende Gegenüberstellung von methodisch unterschiedlich ermittelten Ergebnissen ist ein grober Verstoß gegen grundlegende Denkgesetze; der Gutachter vergleicht "Äpfel mit Birnen".

 

Um zu verwertbaren Aussagen zu kommen, hätte der Gutachter die Potentiale für alle Standorte nach einer einheitlichen Methode ermitteln müssen.

Problematik der Isochronen

Das Gutachten legt detailliert Isochronen für das jeweilige Einzugsgebiet der untersuchten Flughäfen fest. Die dabei zugrunde gelegten Fahrzeiten sind - entsprechend den Vorgaben der Potenzialanalyse, dort S. 49 - sehr zurückhaltend gewählt (S. 35):

     

  • Autobahn 100 Km/h
  •  

  • vierspurige Bundesstraße 80 Km/h
  •  

  • Bundes- und Landstraßen 60 Km/h
  •  

  • innerörtliche Straßen 25 Km/h

Diese vorsichtige Schätzung wirkt auf den ersten Blick gerecht. Sie führt aber immer dann zu Verzerrungen, wenn sich die zu vergleichenden Orte - wie hier - in unterschiedlichen Situationen befinden. Kiel ist eine typische Randlage, innerhalb jeder Isochrone befinden sich große Flächen auf hoher See. Dadurch werden Standorte im Binnenland bei Annahme geringer Durchschnittsgeschwindigkeit benachteiligt, weil beträchtliche Teile ihres tatsächlichen Einzugsbereiches nicht mehr erfasst werden. Da die Standorte Jagel, Hohn und Neumünster alle an einer Bundesautobahn liegen, wird bereits auf diese Weise im Verhältnis zu Kiel das Einzugsgebiet unzulässig verkleinert. Bei der Beurteilung des Einzugsgebietes muss deshalb berücksichtigt werden, wie sich die tatsächlich mögliche Geschwindigkeit z. B. auf den Autobahnen in S-H darstellt. Zumindest im nördlichen Landesteil lässt sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 Km/h durchaus einhalten.

Der grundsätzliche Fehler der Annahmen liegt aber noch eine Schicht tiefer. In einem Land wie Schleswig-Holstein sind Isochronen zur Ermittlung von Fluggastpotentialen schlechthin ungeeignet. Wir befinden uns geographisch in einer im Gegensatz zum übrigen Deutschland besonderen Situation. Es ist keinesfalls so, dass sich nördlich oder westlich weitere Flughäfen anbieten, die sich in einer Konkurrenzsituation zu den zu untersuchenden Standorten befinden. Westlich von Jagel, Hohn und Neumünster gibt es keine Regionalflughäfen. Der Flugreisende aus Husum, Heide oder Itzehoe muss notgedrungen das einzige Angebot nutzen, das sich für ihn ergibt. Er ist also immer auf den für ihn nächsten Flughafen angewiesen. Ähnliches gilt für Flensburg und den Kreis Schleswig-Flensburg (vgl. Potentialanalyse, S. 50, wo Flensburg und Umgebung dem Einzugsbereich von Kiel-Holtenau zugerechnet werden). Um also das tatsächliche Potential auszuloten, kommt man mit der Definition von Isochronen nicht weiter. Die Märkte für die vorhandenen Flughäfen trennen sich vielmehr entlang festzulegender Scheidelinien zwischen den Standorten. Diese Scheidelinien ergeben sich aus der Entscheidung des Flugreisenden, ob sie von dem zu untersuchenden Standort oder von einem anderen Flughafen abfliegen. Dabei ist nicht nur die reine Fahrzeit einzurechen, sondern auch die Zeit für die Parkplatzsuche, den Fußweg vom Parkplatz zur Abfertigungshalle, die Zeit für das reine Einchecken, die Kosten für den Parkplatz usw. Als "anderer" Flughafen kommt für alle zu untersuchenden Standorte regelmäßig nur Hamburg-Fuhlsbüttel in Betracht. Die dänischen Flughäfen Sønderborg oder Billund dürften nur für wenige Reisende im Norden des Landes eine echte Alternative zu einem Flughafen in Schleswig-Holstein sein, denn innerdeutsche Destinationen werden von dort nur wenige bedient und bestimmen sich im übrigen nach den dänischen Bedürfnissen. Lübeck dagegen könnte sich in der Zukunft zu einer Alternative entwickeln, wenn von dort der Linienverkehr intensiviert werden sollte.

Die Einzugsgebiete für die einzelnen Standorte sind demnach insbesondere gegenüber Hamburg-Fuhlsbüttel abzugrenzen. Dafür sind die Scheidelinien festzulegen:

 

Standort

Norden

gegen DK

Süden

gegen HH

Westen

Osten

Gegen HL

Jagel

Bundesgrenze

Linie Büsum, Meldorf, süd-

liche Kreisgren-

ze RD-Eck, Neumünster, Bornhöved, Plöner See, östliche Kreisgrenze Plön

Nordsee

Ostsee, Östliche Kreisgrenze Plön

Hohn

Bundesgrenze

Linie Glückstadt, Krempe, Kellingusen, Neumünster, Bornhöved, Plöner See, östliche Kreisgrenze Plön

Nordsee

Ostsee, Östliche Kreisgrenze Plön

Neumünster

Südgrenzen der Altkreise Südtondern und Flensburg

Elmshorn, Barmstedt, Kaltenkirchen, Bad Segeberg, Eutin, Neustadt

Nordsee

Kreisgrenze Segeberg, Eutin, Hohwachter Bucht, Ostsee

Kiel

Südgrenzen der Altkreise Südtondern und Flensburg

Ostgrenze des Altkreises Eiderstedt, Ostgrenze des Kreises Dithmarschen, Nordgrenze der Kreise Steinburg und Segeberg, Eutin, Neustadt

Husum, Ostgrenze des Kreises Dithmarschen

Neumünster, Süd- und Ostgrenze des Kreises Plön, Ostsee

Daraus ergeben sich nach Kreisgebieten folgende sichere Einzugsgebiete für die jeweiligen Standorte:

Jagel

Hohn

Neumünster

Kiel

NF, FL, SL, RD, nördliches Dithmarschen, KI, NMS, PLÖ

NF, FL, SL, HEI, RD, KI, NMS, PLÖ, 4/5 des Kreises Steinburg

Altkreise Husum, Eiderstedt, Schleswig; RD, HEI, KI, NMS, PLÖ, IZ, nördliches Drittel des Kreises PI, Kreis SE ohne Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg und Norderstedt; OH*

Altkreis Husum und Schleswig; RD, NMS, PLÖ, Nordteil des Kreises OH*

Bei Durchsicht der Versorgungsgebiete ergibt sich eine erhebliche Deckungsgleichheit. Dieses "Kerngebiet" setzt sich bei pauschaler Betrachtung aus folgenden Kreisgebieten zusammen: KI, RD, NMS, PLÖ und die Altkreise Schleswig und Husum.

Neben diesem "Kerngebiet" versorgen die vier Standorte:

Jagel

Hohn

Neumünster

Kiel

Altkreise Südtondern, Eiderstedt, Norder Dithmarschen, Flensburg und die Stadt FL

wie Jagel, zusätzlich, Süder-Dithmarschen und 4/5 des Kreises Steinburg

Altkreis Eiderstedt;

HEI, IZ, Nordteile der Kreise PI und SE

Nordteil des Kreises OH

Allein aus dieser pauschalen Betrachtungsweise ergibt sich, dass Neumünster das von der Fläche und Einwohnerzahl größte Einzugsgebiet und Kiel das kleinste Einzugsgebiet hat.

In Zahlen ergeben sich folgende Einwohnerzahlen in den jeweiligen Einzugsgebieten:

Neumünster ist danach der Standort mit dem größten Versorgungsgebiet. Kiel fällt dagegen deutlich ab.

Methoden- und Berechnungsfehler

Mit einer "Korrekturtabelle" (S. 60) rechnet der Gutachter das aus der im Jahre 1998 in Fuhlsbüttel durchgeführten Fluggastbefragung ermittelte Passagieraufkommen auf den "Angebotsfall", d.h. die zu erwartende Nachfragesteigerung im Einzugsbereich des jeweiligen Alternativstandortes, um. Es bleibt unklar, auf welchem Rechenweg bzw. anhand welcher Indikatoren die Umrechnungsfaktoren ermittelt wurden. Als Quelle ist lediglich "eigene Berechnungen" angegeben. Infolgedessen ist das in der Tabelle ausgewiesene Nachfragepotential auch nach der für die Alternativstandorte gewählten Methode nicht nachvollziehbar.

Der dargestellte Vergleich zwischen einem auf 2.700 m ausgebauten Flughafen Holtenau und entsprechend ausgebauten Flughäfen in Hohn, Jagel und Neumünster ist - abgesehen von dem unter Ziff. 2 dargestellten Methodenbruch - auch deshalb falsch, weil der Flughafen Holtenau nur auf 2.100 m Startbahnlänge ausgebaut und Charterflugverkehr vermieden werden soll. Allerdings dürfte dieser Fehler auf die Vorgabe der Auftraggeber zurückzuführen sein. Der Fehler wiederholt sich bei der Ermittlung der Baukosten (Ziff. 9). Der Reduzierung auf 2.100 m trägt aber z.B. das Zusatzgutachten 7 (Modellflugplan) Rechnung, das neben 289.047 Linienflugpassagieren (Potenzialanalyse in Szenario 2) in einem solchen Fall für Holtenau nur noch 504 und nicht 65.000 Charterpassagiere im Jahre 2011 prognostiziert.

Bei allen drei Alternativflughäfen zu Holtenau werden zudem Linienverbindungen nach Berlin, Mönchengladbach, Mannheim und Kopenhagen einfach außer Acht gelassen, die für Kiel im Jahre 2011 mit immerhin mit knapp 74.000 Passagieren zu Buche schlagen.

Allein durch diese beiden Fehler ergibt sich für Holtenau im Vergleich zu den drei Alternativen ein scheinbares Plus von 73.783 Linienflugpassagieren und 64.294 Charterflugpassagieren, d.h. von insgesamt rund 138.000 Passagieren. Das sind immerhin 39% des für 2011 angenommenen Gesamtaufkommens, um die das Aufkommen in Kiel-Holtenau zu verringern ist. Das gilt für die Alternativstandorte allerdings auch hinsichtlich der Zahlen für die Verbindung nach Stuttgart, die wiederum im Holtenauer Ergebnis nicht enthalten sind.

Nach dem von ihm selbst gewählten - fehlerhaften - methodischen Ansatz hätte der Gutachter also in der Tabelle auf Seite 68 zu folgenden Ergebnissen kommen müssen:

 

Schleswig/Jagel

Rendsburg/Hohn

Neumünster-Süd

Kiel-Holtenau

Gesamtverkehr

198.100

252.850

220.700

215.768

Abzgl. Stuttgart

18.600

20.000

18.000

 

Ergebnis

182.500

232.850

202.700

215.768

Schon danach wäre ein Flughafenausbau z. B. in Hohn nicht nur billiger, sondern auch wirtschaftlicher als in Kiel.

Hätte der Gutachter die Potentiale für alle Standorte nach einer einheitlichen Methode ermittelt, wäre das Ergebnis für Kiel vermutlich deutlich hinter den Zahlen der Alternativstandorte zurückgeblieben (vgl. Tabelle Ziff. 4.)

Verhältnis der Flughafenstandorte Hamburg und Neumünster

Auf S. 57 f. wird die grundsätzliche Anmerkung gemacht, dass der Flughafen Hamburg wegen seines deutlich besseren Angebotes einen Sog auf alle nördlichen Standorte ausübe. Dieser Sog wirke sich insbesondere negativ auf Neumünster aus (S. 68). Bei der Prognose des künftigen Luftverkehrs unterstellt der Verfasser, dass HH-Fuhlsbütel seine heutige relative Attraktivität behält. Dies ist aber zweifelhaft angesichts der in HH vorhandenen Kapazitäten und dem angenommenen Wachstum des Luftverkehrs. Fuhlsbüttel wird in dem Maße an Attraktivität gerade gegenüber Neumünster verlieren, wie HH nicht mehr in der Lage sein wird, den dortigen Bedürfnissen gerecht zu werden. Mancher Hamburger wird in Zukunft froh sein, nördlich der Stadt einen leistungsfähigen Flughafen zu wissen. Insbesondere Neumünster hat die Chance am Markt, einen entgegengesetzten Sog nach Norden auszulösen. Fuhlsbüttel ist außerdem auf Grund der dortigen Abfertigungszeiten und Parknöte ein gegenüber Kieler Verhältnissen ungünstiger Flughafen. Es fällt also nicht schwer, in puncto Kundenzufriedenheit ein positives Image aufzubauen (wie es Kiel im Übrigen gelungen ist).

Der vom Gutachter unterstellte Sog nach Hamburg ist nicht begründet, sondern eine bloße Behauptung. Mit gleicher Berechtigung ließe sich behaupten, dass Neumünster einen entgegengesetzten Sog nach Norden auszulösen wird. Ebenso verhält es sich mit der von den Gutachtern aufgestellten Behauptung, Fluggäste folgten einem "richtungsgebundenen Reiseverhalten", würden also einen weiter entfernten Abflugort gegenüber einem nahegelegene Flughafen nur deswegen vorziehen, weil ersterer in der Reiserichtung liegt. Auch diese Behauptung, mit der insbesondere der Standort Jagel abqualifiziert wird, ist durch nichts belegt oder bewiesen.

Künftige Verkehrsentwicklungen (A20, Beltquerung)

Der Gutachter hat bei seiner Prognose unterstellt, dass sich in Hinsicht auf den Landverkehr keine wesentlichen Änderungen ergeben werden. Dies ist so nicht richtig. Die A20 wird in absehbarer Zeit eine bedeutende Änderung der Verkehrsströme in Schleswig-Holstein bewirken. Durch die Vollendung der A20 mit einer Elbquerung westlich von Hamburg wird erstmals eine schnelle West-Ostverbindung im Land entstehen. Die A20 wird die bisher von Nord nach Süd verlaufenden Autobahnen bei Bad Segeberg, Bad Bramstedt und nördlich von Elmshorn verbinden. Neumünster wird somit nahe am Schnittpunkt aller Autobahnen des Landes sein und seine Position als Verkehrsknoten in Schleswig-Holstein weiter ausbauen. Mit der A20 wird es sogar für Lübecker Bürger attraktiv, den Flughafen Neumünster zu benutzen. Über die A20 werden außerdem im Einzelfall Fluggäste aus dem westlichen Mecklenburg und dem nördlichen Niedersachen angesprochen. Bei einer geschickten Nischenpolitik können Kunden in Bremerhaven und Wilhelmshaven genauso gewonnen werden wie in Rostock oder Schwerin. Zusätzliche Veränderungen für die durch die A20 erschlossenen Verkehrsräume werden eintreten, wenn mittel- oder langfristig Pläne zur Beltquerung realisiert werden sollten.

Lärmbetroffene Bevölkerung

Das Weidleplan-Gutachten bezieht sich bei der Bezifferung der lärmbetroffenen Bevölkerung lediglich auf einen geringe Anzahl entschädigungsberechtigter Personen. Dies ist keine Grundlage für eine politische Entscheidung. Es geht nicht darum zu beurteilen, wie viele Menschen unerträglich vom Lärm betroffen sind, sondern die Zahl der Personen zu quantifizieren, deren Lebensqualität entscheidend abnimmt. Die genannte Zahlen bagatellisieren das Problem in nicht hinnehmbarer Weise und täuschen damit die Entscheidungsträger über das wirkliche Ausmaß der Belastungen. Die Entscheidungsträger müssen wissen, wie viele Menschen leben in welchen Zonen (>45 dBA, >50 dBa, >55 dBA). Nur dann kann abgewogen werden, ob eine abstrakte Gewerbeförderung es wert ist, die Lebensqualität von vielen Tausenden von Menschen einzuschränken, was bei einem Ausbau des inmitten von Wohngebieten gelegenen Standortes Holtenau der Fall wäre. Die >45 dBA Isophone betrifft hier nämlich mehr als 50 % der Ortsteile Holtenau und Stift, zusätzlich noch die Ortsteile Knoop, Schusterkrug, sowie kleinere Bereiche der Ortsteile Friedrichsort und Projensdorf (Anhang zu Blatt 54 des Lärmgutachtens vom 19.7.2001).

Suggestiv wirkt der auf Seite 116 gezogene Kreis mit einem Durchmesser von 9 km.

Im Gutachten wird dieser nicht erwähnt. Dadurch entsteht in der Grafik der Eindruck, als wären in Neumünster diverse Altenheime, Krankenhäuser und Schulen ebenso betroffen wie am Standort Holtenau. Für Holtenau (S 119) fehlt dieser Kreis allerdings. Würde man den Neumünsteraner Kreis auch in diese Graphik einzeichnen, wären das halbe Stadtgebiet Kiels von dem Flughafen betroffen.

Baukosten

Bereits eine überschlägige Prüfung der Massen und Preise ergibt, dass die Kosten für Holtenau heruntergerechnet und die für Neumünster und Jagel heraufgerechnet wurden. Vergleicht man insbesondere die Investitionskosten für das Jahr 2011 für Holtenau und Neumünster, so ergibt sich eine Differenz für Holtenau von +36 Mio. DM und für Neumünster von –33 Mio. DM. Der Flughafen Kiel-Holtenau kostet dann in der Ausbauvariante mit einer Start- und Landebahn von 2700 m inkl. der Kosten für den Tunnel immerhin 181 Mio. DM und Neumünster nur noch 185 Mio. DM und die beiden Varianten stehen hinsichtlich der Kosten in einem gänzlich anderen Licht da. Auch für die Standorte Hohn und Jagel ergeben sich verringerte Kostenansätze.

Im Einzelnen:

Es wurden die Positionen Grunderwerb, Baufreimachung, Rollbahn, SLB genauer untersucht.

Die Erwerbsflächen für Neumünster sind mit 200 ha deutlich zu groß gewählt, da statt der 300 m breiten Fläche zwischen den Betriebswegen wie für die Erweiterung in Holtenau unnötigerweise eine 500 m breite Fläche gewählt wurde. Der Preis für Grunderwerb in Holtenau wurde nur mit 10 DM/m² und in Neumünster mit 15 DM/m² angesetzt. Damit wird Neumünster um 18. Mio DM zu teuer und Holtenau um 3 Mio. DM zu billig bewertet.

Die Kosten für das Entfernen von Hindernissen im Falle Neumünster sind mit 20 Mio. DM deutlich zu hoch. Es geht um 2,7 km Straße, die abgebrochen werden müssen, wofür 5 Mio. DM ausreichen werden. Damit wird Neumünster erneut um 15 Mio. DM zu teuer angesetzt.

In Holtenau fehlen die Kosten für die Verbreiterung der bestehenden SLB auf 45 m und es fehlen weiter die Kosten für die Dammanschüttung des Geländes für die SLB jenseits der B 503. Das Gelände liegt dort 5 m tiefer als die SLB und die Rollbahn. Wird beides berücksichtigt, kommen noch einmal 22 Mio. DM dazu.

In der Untersuchung zur Verlegung der B 503 wurde bei der Tunnelvariante, und nur die macht bei der im Gutachten untersuchten 2700 langen SLB Sinn, die südliche Rampe bei der Kostenermittlung vergessen. Damit kostet die Untertunnelung nicht 60 Mio. DM sondern 71 Mio. DM, also ein Unterschied von 11 Mio. DM.

Die Kosten für die Rollbahn in Jagel wurden mit 5,25 Mio überschätzt.

Die Flugsicherung kostet für Jagel angeblich zusätzlich 15,5 Mio, obgleich es im Gutachten heißt, dass "in Hohn und Jagel ein Großteil dieser Anlagen (Anm: vorhandene Anlagen zur Flugsicherung) sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden". Ein Kostenansatz erfolgt daher nur in Höhe von 0,5 Mio.

Hinzu kommt, dass das Schulzentrum in Altenholz-Stift massiv gegen Lärm zu schützen oder zu verlegen sein wird. Bei konservativer Schätzung entstehen hierfür mindestens 20 Mio. DM

3. Zusammenfassung

Standortalternativen

Jagel

Hohn

NMS

Kiel

Bevölkerung im Einzugsgebiet

1.220.000

1.155.000

1.496.000

 

1.027.000

Ausbaukosten lt. Weidleplan

116 Mio.

109 Mio.

218 Mio.

146 Mio.

Erwerbsflächen

   

./. 18 Mio.

+ 3 Mio.

Entfernen von Hindernissen

   

./. 15 Mio.

 

Verbreiterung der SLB

     

+ 5 Mio.

Dammanschüttung

+ 17 Mio.

Untertunnelung

+ 11 Mio.

Überteuerung Rollbahn

./. 5 Mio.

Überteuerte Flugsicherung

./. 15 Mio.

Lärmschutz Schulen in Stift

+ 20 Mio.

Berichtigte Kostenschätzung

96 Mio.

109 Mio.

185 Mio.

202 Mio.

Quotient Kosten/Bevölkerung im Einzugsgebiet

78,69 DM

94,37 DM

123,66 DM

196,69 DM

Kiel ist danach um das 2,5-fache ungünstiger als Jagel.

Fazit:

     

  1. Die Ergebnisse des Gutachtens sind in entscheidenden Punkten durch die Vorgaben aus der Potenzialanalyse vorbestimmt.
  2.  

  3. Der Gutachter gibt Anlass zum Vorwurf der Befangenheit
  4.  

  5. Das Gutachten weist einen ganz empfindlichen Methodenbruch auf, der die Ergebnisse entscheidend disqualifiziert.
  6.  

  7. Die Eignung der verglichenen Standorte wird nicht unter ökonomischen, sondern vor allem – mit allerdings unzulänglichen Methoden - unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten untersucht. Eine vergleichende Risikoanalyse fehlt völlig.
  8.  

  9. Die Vernetzung zu anderen Verkehrsträgern und der zukünftigen Entwicklung (A20) werden vernachlässigt.
  10.  

  11. Die Kostenermittlung übergeht wesentliche Positionen zu Gunsten von Holtenau und wird zu Lasten der anderen Standorte durchgeführt.
  12.  

  13. Das Fazit aus den verwertbaren Teilen des Gutachten rechtfertigt die Aussage, dass Jagel danach der günstigste Standort ist. Das Potential von Neumünster ist aber nicht zu unterschätzen und für das Land verkehrstechnisch zukunftsweisender.

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