Neuer Wirbel um Gutachten

Flugzheughersteller: Turbo-Prop-Maschinen kein Auslaufmodell – Schreiben bisher nicht veröffentlicht

Ein Schreiben des französischen Turbo-Prop-Flugzeugherstellers ATR (Avions de Transport Regional), dessen Maschinen die Cimber Air in Holtenau einsetzt, sorgt für neue Brisanz in der Flughafen-Debatte. Es wurde bereits am 28. Mai an die Kieler Flughafengesellschaft gesandt, aber bisher nicht veröffentlicht. Für Lutz Oschmann, Chef der Ratsfraktion der Grünen, enthält es entscheidende Aussagen: "Es stimmt einfach nicht, dass künftig nur noch Düsenjets im Regionalflugverkehr eingesetzt werden und Turbo-Prop-Maschinen Auslaufmodelle sind."

Aus dem Schreiben, das den Kieler Nachrichten als Kopie vorliegt, geht hervor, dass der Marktanteil der Propellermaschinen bis 2005 sogar noch von 23 auf 24 Prozent ansteigen wird. Diese Prognose stammt vom Forum of European Aerospace Market Analysts (FEAMA), einem Zusammenschluss aller bedeutenden Flugzeughersteller und -zulieferer. Oschmann: "Damit wird das wichtigste Argument der Befürworter einer Startbahnverlängerung eindeutig widerlegt." Es wundere ihn nicht, so der Fraktionschef weiter, dass dieses brisante Dokument in den vertiefenden Untersuchungen nicht aufgetaucht sei. Zur kommenden Sitzung der Ratsversammlung soll es auf Antrag der Grünen allen Mitgliedern in Englisch und in deutscher Übersetzung vorliegen.

Die Ausführungen des Flugzeugherstellers widerlegen auch die Behauptung, dass die vorhandene Holtenauer Start- und Landebahn für den neueren und größeren Flugzeugtyp, die ATR 72-500 (68 Sitze), nicht ausreicht. Selbst vollbeladen hat sie eine Reichweite von 1440 Kilometer bzw. 777 nautische Meilen. "Das reicht für die Reisezielwünsche aus der Wirtschaft", meint Oschmann. Dazu gehörten auch Destinationen wie Stockholm, London und Tallin. Bisher fehle für solche Angebote allein die Nachfrage.

Grüne: Startbahn muss nicht verlängert werden

In Europa, wo die Entfernungen bei 50 Prozent aller Regionalflüge unter 500 Kilometern lägen, spiele die höhere Geschwindigkeit der Jets nicht die Rolle wie in den USA. In Zeiten, in denen alle Fluggesellschaften finanzielle Probleme haben, sei es viel wichtiger, wirtschaftliche Maschinen einzusetzen. "Turbo-Props sind günstiger im Betrieb, verbrauchen weniger Kerosin und sind leiser als vergleichbare Regionaljets", sagt Oschmann. Eine Verlängerung der Start- und Landebahn sei nicht erforderlich: "Vollbesetzt und vollbetankt braucht die ATR 72-500 eine Länge von 1223 Meter, vollbesetzt nach Frankfurt sogar nur 1079 Meter." TM


(Kieler Nachrichten vom 05.10.2001)