Einige Vertreter von Wirtschaftsinteressen warfen vor kurzem die Idee der
"dringenden Erweiterung des Flugplatzes Kiel-Holtenau zur Rettung des
Wirtschaftsstandortes Kiel" in die öffentliche Diskussion. Wie nicht
anders zu erwarten, fanden diese Vorreiter Ansporn durch Gleichgesinnte.
Vordergründiges Gewinnstreben – mit äußerst fragwürdigem Ausgang –
ignoriert dabei rücksichtslos die Gesundheit einer großen Zahl durch
diese Pläne betroffener Menschen in der Kieler Region einschließlich der
Nachbargemeinden im Radius von etwa 30 km.
Aber rasch durchschaute die Öffentlichkeit die Machenschaften dieser
Betreiber: Zur Förderung ihrer Absichten hatten sie von Steuergeldern
eine "Potenzialanalyse" bei der Fa. Dornier (!) gekauft, deren
mangelnde Neutralität erwartungsgemäß ein "Gut"achten
ablieferte, dessen eklatante Fehlerhaftigkeit (selbstverständlich zu
Gunsten eines Ausbaus des Flugplatzes und des in der
"Potenzialanalyse" offen erwarteten Kaufs von mehreren
Dornier-Flugzeugen!) die Urheber beschämen sollte.
Bemerkenswerterweise sind auch Teile der SPD für den Ausbau. Es empört
hier die Öffentlichkeit außerordentlich, daß die Bundesregierung
angeblich einer "Initiative aus Schleswig-Holstein zustimmt und den
Ausbau empfiehlt" (obwohl sie gleichzeitig die innerdeutschen
Flugpassagiere auf die Bahn umlenken möchte, siehe unten). Wer kennt denn
in der Bundesregierung die Kieler Verhältnisse so genau und vertritt dort
nicht nur einseitig die Interessen einer "Initiative" einer
eigennützigen, nur auf wirtschaftlichen Profit ausgerichteten
verschwindend geringen Minderheit, sondern die Interessen der
Bevölkerung, deren Gesundheit dadurch Schaden nehmen wird? Betroffen sind
in dieser Region immerhin weit über 150.000 Menschen.
Der Wortlaut der "Ausbauempfehlung der Bundesregierung" muß
veröffentlicht werden und ebenso die Namen derer, die "von Seiten
Schleswig-Holsteins" die Bundesregierung dazu veranlaßten. Und,
schließlich, wer ist denn konkret "die Bundesregierung", d. h.
welche Personen sind für solche Äußerungen verantwortlich?
Die gigantomanen Ausbaupläne entfesselten einen Sturm der öffentlichen
Entrüstung, der seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht hat.
Gesundheitliche Auswirkungen von Lärm und
Schadstoffbelastung
Die psychische und physische Gesundheit wird durch Fluglärm ganz
allgemein beeinträchtigt, auch wenn die Menschen die Lärmbelästigung
individuell sehr unterschiedlich "verarbeiten" (es darf dabei
nicht einfach ignoriert werden, daß z. B. in Los Angeles in der Umgebung
des Flughafens die Selbstmordrate unter den 45 – 60-Jährigen um 100%
höher liegt, anderenorts werden solche Erhebungen lieber gar nicht erst
durchgeführt ...). Auch eine vermeintliche "Gewöhnung" an
Lärm schützt nicht vor dessen Gesundheitsschädigungen. Ältere und
gesundheitlich geschwächte Menschen, Schwangere und vor allem Kinder sind
vom Fluglärm besonders betroffen.
Immissionsrichtwerte oder Orientierungswerte der TA Lärm (DIN 18005, VDI
2058) geben für reine Wohngebiete Beurteilungspegel von tags 50 und
nachts 35 dB(A) vor. Sie sollen demnächst gesenkt werden. Entsprechend
den Empfehlungen der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA) sollten 35
dB(A) als Durchschnittspegel eingehalten werden. Doch selbst bei diesem
anscheinend niedrigen Wert werden aber schon Unterbrechungen einer
gesunden physiologischen Schlafstruktur festgestellt (Störeinflüsse im
Schlaf-EEG erkennbar), welche die Erholung des Menschen behindern. Bereits
40 dB(A) Spitzenschallpegel verursachen bei 5% der Bevölkerung
Aufwachreaktionen, ein nächtlicher Lärm mit 45 dB(A) ist für etwa 10 %
der Testpersonen eine Schlafstörung, bei 65 dB(A) sind es schon 75 %.
Mit der Zunahme der Lärmbelastung von 51 – 55 dB(A) auf 66 – 70 dB(A)
steigt das relative Risiko eines Herzinfarktes auf 20 %, bei nächtlicher
Lärmbelästigung noch höher, da das Herz dann keine Erholungsphase mehr
hat.
Der Flugplatz Kiel-Holtenau stellt bereits jetzt für die Anwohner aller
Altersstufen eine permanente Belästigung dar. Unter anderen sind die
Kinder in mehreren Schulen im Einwirkungsbereich des Fluglärms erheblich
beeinträchtigt, eine weitere Verschlimmerung dieser Situation ist
unverantwortlich:
Um einen ordnungsgemäßen Unterrichtsbetrieb sicherzustellen, müssen
laut Gesetz Flughafenbetreiber und Genehmigungsbehörde durch
Lärmschutzmaßnahmen und Flugbetriebsbeschränkungen in den Schulen einen
Dauerschallpegel unterhalb von 35 dB(A) sicherstellen. Der Flugbetrieb in
Kiel-Holtenau unterbricht jetzt schon häufig den Unterricht, da eine
Kommunikation in den Klassenräumen dabei nicht möglich ist.
Stillarbeitsphasen und Klassenarbeiten werden gestört. Hausaufgaben
müssen unter Fluglärm gemacht werden, der die hierfür nötige
Konzentration immer wieder unterbricht. Bei Fluglärm ist auch keine
Erholung möglich, durch die ständige Störung der physiologischen
Schlafphasen geraten die Kinder in ein Schlafdefizit von mehreren Stunden
täglich.
Die den Kindern aufgezwungene permanente Streßsituation verursacht
vielfältige und tiefgreifende Störungen im kindlichen Organismus, der
hierfür in seiner Wachstumsphase besonders empfindlich ist. Unnatürlich
langanhaltende erhöhte Blutkonzentrationen von Streßhormonen aus den
Nebennieren (z. B. Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) beeinträchtigen u.
a. das Immunsystem (mit der Folge erhöhter Anfälligkeit für Infektions-
und Krebskrankheiten), die geistige Entwicklung und die Schulleistungen,
die Geräuschaufnahme und –verarbeitung, es kommt zu allgemeinen
Störungen des vegetativen Nervensystems und Schädigungen des
Hörvermögens. Fluglärm schädigt die Fähigkeit, Lesen zu lernen,
fehlerfrei zu lesen und das Sprachverständnis. Der Informationstransfer
vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis (Speicherfunktion!) wird gestört.
Die Streß-bedingt erhöhte Cortisol-Produktion, die beim Kind selbst dann
stattfindet, wenn es durch den Lärm nicht aufwacht, stört in der ersten
Nachthälfte die im Unterbewußtsein ablaufende Lernleistung sog.
deklarativer Inhalte (z. B. Lernen und Behalten von Texten), d. h. die
Leistungsfähigkeit des Langzeitgedächtnisses wird herabgesetzt. Diese
Defizite sind nicht aufzuholen. Lärm-belästigte Kinder zeigen in allen
Testsituationen geringere Ausdauer und größere Hilflosigkeit. Schon
jetzt berichten Kinderneurologen, daß sie immer seltener normale
Elektroenzephalogramme (EEG) bei Kindern ableiten können.
Lärm-belästigte Kinder leiden unter einem deutlich höheren Blutdruck
als lärmgeschützte Kinder, der auch noch im Erwachsenenalter ihr Risiko
für Herz-Kreislaufkrankheiten erhöht. In Gegenden mit hoher
Lärmbelastung tritt allgemein Bluthochdruck häufiger auf.
Neben den empfindlicheren Erwachsenen sind es also in der betroffenen
Region die Kinder, die als besondere Risikogruppe hier von Beginn ihres
Lebens an durch Lärm geschädigt werden. Das moralisch-ethische Niveau
eines Staates ist nicht zuletzt daran zu messen, wie dieser sein
kostbarstes Gut, nämlich seine Kinder, zu schützen weiß. Deutschland
fällt hier im internationalen Vergleich weit zurück. Es wird höchste
Zeit, daß Bundesregierung und Länderregierungen erkennen, wie kraß der
Widerspruch zwischen der vehementen Verteidigung des § 218 und der
politischen Ignoranz ist, mit welcher die Kinder in diesem Staat nach
der Geburt vernachlässigt werden, d. h. eben dann den verdienten
Schutz kaum noch erhalten. In diesem Zusammenhang muß die
Vertrauenswürdigkeit der derzeitigen "politischen Sorge, daß nicht
genügend deutsche Kinder geboren würden", gründlich hinterfragt
werden.
Die fortgesetzte Einwirkung von Fluglärm stellt somit eine
ernstzunehmende Gesundheitsschädigung, d. h. Körperverletzung, dar,
welche die Betroffenen langfristig benachteiligt. Gegen Artikel 2 (2) des
Grundgesetzes ("Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit") wird hier fortgesetzt verstoßen.
Schadstoffbelastung
Modernere Flugzeuge sind hinsichtlich des Schadstoffausstoßes nicht
besser als ältere, wenn sie nicht deutlich weniger Treibstoff
verbrauchen. Neuere Verbrennungstechnik erzeugt zwar kleinere (und weniger
leicht sichtbare), dafür aber tiefer lungengängige krebserregende
Rußpartikel. Die Verbrennungsabgase von Flugzeugen sind äußerst
komplizierte Gemische toxischer Chemikalien, die nicht nur Krebs auslösen
oder die Atemwege schädigen, immuntoxisch oder allergen wirken, sondern
praktisch alle Körperfunktionen nachteilig beeinflussen können. Die
toxikologische Forschung (und damit ein besserer Schutz der Bevölkerung)
wird hier durch die Geheimhaltung der Zusammensetzung der Treibstoffe und
der zugesetzten "Additiv-Pakete" stark behindert.
Der Treibstoffverbrauch durch den Flugverkehr ist eine gigantische, schon
gegenüber der nächsten Generation nicht mehr zu verantwortende
Ressourcenverschwendung. Der globale Flugverkehr verursacht durch seine
Abgase mehr als die Hälfte der Gesamtverschmutzung durch das
Transportwesen (UN-Bericht), er schädigt lokal Menschen und Natur und
trägt wesentlich zu schwerwiegenden kontinentalen und globalen
Klimaveränderungen bei.
Die Erfassung der Gesamt-Umweltbelastung durch den Flugplatz Kiel-Holtenau
schon im jetzigen Betrieb ist daher zwingend notwendig, aber nur durch
eine kompetente, unabhängige und vertrauenswürdige Institution, wie z.
B. das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im
Wissenschaftszentrum NRW, Wuppertal. Ich fordere die Betreiber des
Flugplatzausbaus auf, alle bereits eingeholten und künftigen Gutachten
diesem Institut zur Prüfung vorzulegen und es mit einer Gesamtbewertung
zu beauftragen.
Neben Versiegelung von Boden (und dessen nachteilige Wirkungen auf den
Wasserhaushalt), Zertrennung von Biotopen und Zerstörung von Lebensraum
und zusätzlich zur steigenden Lärmbelästigung verstärkt ein Ausbau des
Flugplatzes Kiel-Holtenau die schleichende Vergiftung der weiteren
Umgebung in vielfältiger Weise (siehe unten).
Grenzwerte
Die Betreiberseite argumentiert vordergründig mit der Behauptung,
"derzeit geltende Grenzwerte des Lärmschutzes würden meistens
eingehalten".
Abgesehen davon, daß ihnen dies niemand glaubt, sind
"Grenzwerte" grundsätzlich von Wirtschaftsinteressen diktierte politische
Werte, bei deren Zustandekommen der Schutz menschlicher Gesundheit
(oder der Natur) deutlich nachgeordnet wird. Im Klartext heißt das, daß
bei der Festlegung von Grenzwerten nach statistischen Kriterien für die
betroffene Bevölkerung bestimmte Krankheits- oder sogar Todesraten
"akzeptiert" werden (wer eigentlich "akzeptiert"
hier?). Die Grenzwerte schützen also nicht wirklich, schon gar nicht die
Empfindlicheren.
Geflissentlich verschwiegen wird dabei auch, daß bei den Bewertungen
einer Lärmbelastung die besonders gesundheitsschädlichen Spitzenbelastungen
gründlich "weggemittelt" werden: "So werden aus den
meßtechnisch ermittelten 10-Minuten-Mittelwerten zunächst
Halbstunden-Mittelwerte abgeleitet und diese wiederum über den Tag
gemittelt, dann werden diese noch einmal über die ganze
Untersuchungsperiode von über 4 Monaten gemittelt" (J. H.
Beckers, 2001). Die Absicht ist klar: Durch diese "Mittelwerte von
Mittelwerten von Mittelwerten von Mittelwerten" werden
kleinstmögliche Zahlenwerte erhalten, mit denen man dann der Bevölkerung
den Bären der Ungefährlichkeit aufbinden möchte (vergleichbar könnte
die Verkehrspolitik argumentieren: "Der jährliche Blutverlust auf
deutschen Autobahnen beträgt im Mittel nur etwa 1 ml pro Kopf der
Bevölkerung, das kann vernachlässigt werden ..."). Die
tatsächlichen kurzfristigen Einwirkungen hoher, stark (und mit
langfristiger Auswirkung) gesundheitsschädlicher Lärmwerte und/oder
Schadstoffkonzentrationen werden dadurch vorsätzlich verschwiegen. Dieses
Vorgehen ist nichts anderes als legalisierte Täuschung und Billigung
fortgesetzter Gesundheitsschädigung für die Betroffenen.
Hinzu kommt, daß bei derartigen Interessen-gesteuerten Diskussionen
niemals die komplexe toxische Gesamtsituation aller vom
Verursacher erzeugten schädigenden Einwirkungen zusammen
berücksichtigt wird (d. h. die "Grenzwert-Argumentation" ist
von vornherein eine Täuschung der betroffenen Öffentlichkeit). So wird
sowohl die bestehende Grundbelastung als auch die zusätzlich zum Lärm
steigende Schadstoffbelastung der betroffenen Region durch Abgase des
Flugverkehrs einfach ignoriert:
- Es ist eine technische Binsenweisheit, daß beim Start –
zusätzlich zu der dann besonders starken Lärmbelastung – eine
weitaus größere Menge an gesundheitsschädlichen
Verbrennungsabgasen, zusammen mit ebenso bedenklichen (nur teilweise
oder nicht verbrannten) Treibstoffresten, ausgestoßen wird als beim
Normalflug;
- Es ist eine von den Verantwortlichen stets bewußt heruntergespielte
Tatsache, daß in bestimmten Flugsituationen vor der Landung der
Treibstoff "abgelassen" wird;
- es ist weiterhin bekannt, daß extrem gesundheitsschädliche
"Additive" bestimmten Flugzeugtreibstoffen aus technischen
Gründen zugesetzt werden (unter vorsätzlicher Vernachlässigung der
dadurch verursachten Gesundheitsschäden), worüber die Bevölkerung
nicht informiert wird. Hier sei als gefährliches Beispiel nur das
hochtoxische 1,2-Dibromethan im NATO-Flugbenzin
"JP-8" erwähnt, dessen Verwendung in Deutschland inzwischen
zwar verboten ist, im militärischen Bereich aber jeder Kontrolle
entzogen wird und dessen Vermischung mit den Treibstoffen der zivilen
Luftfahrt keineswegs sicher ausgeschlossen ist;
- es ist ein Skandal, daß von den Verantwortlichen im Bereich des
Flugwesens und in der Politik die Zusammensetzung der verwendeten
Treibstoffe gegenüber der betroffenen Bevölkerung geheimgehalten
wird.
Die Belastung von Gesundheit und Natur wächst in
Kiel-Holtenau und Umgebung
- durch den steigenden gesamten Chemieeinsatz im Flugplatzbereich, z.
B. bei der Wartung, Oberflächenreinigung mit Lösemittelgemischen,
Enteisungschemikalien, Treibstoffverdampfung und -versickerung etc.,
- durch erhebliche Zunahme der Abgase (beim Start Aerosole aus
unverbranntem und verbranntem Treibstoff-Additiv-Gemisch) und des
Reifenabriebs der Flugzeuge,
- durch die Emissionen des stark anwachsenden Pkw- und Lkw-Verkehrs
(evtl. auch mit großen Mengen explosiblen Flugtreibstoffes?) zum und
vom Flugplatz (einschließlich des damit steigenden Unfallrisikos auf
den Straßen) und anderes mehr.
Seit 20 Jahren mehren sich die Befunde, daß in
Siedlungsgebieten, die einer steigenden Belastung mit Kraftfahrzeug- und
Flugzeugabgasen ausgesetzt sind, die Häufigkeit allergischer
Erkrankungen steigt.
Zusätzlich werden die Anwohner regelmäßig mit Radarstrahlung von den
Flughäfen belastet.
Und völlig verschwiegen wird der erhebliche Beitrag der großen
Abgasmengen des Flugverkehrs zur Entstehung und Verstärkung der
gesundheitsschädlichen Sommersmog-Perioden mit hohen Werten für
Ozon und andere Photooxidantien.
Daher die Frage an die Betreiber von Flughafenausbauplänen, d. h. an die
für die dadurch verursachten Schäden Verantwortlichen:
Welcher "Grenzwert" schützt in solchen
komplexen Situationen die Betroffenen?
Warum gibt es bisher noch keine umfassende Untersuchung
des Gesundheitszustandes der gesamten Bevölkerung bzw. ihres Krankheitsmusters
im Einwirkungsbereich des Flugplatzes Kiel-Holtenau (Lärm und
Schadstoffe)? Die Antwort ist einfach: Hätte man bereits fürsorglich und
verantwortungsbewußt eine derartige Erhebung gemacht, so wäre – wie in
vergleichbaren Fällen eben auch – ein unbequemes Ergebnis ans
Tageslicht gekommen, daß nämlich Flugplatz-bedingte Gesundheitsschäden
bereits sichtbar sind. Und wenn die Verantwortlichen jetzt eine solche
Untersuchung verweigern, können sie in 10 – 20 Jahren – wenn die
Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung als Folge des Flugplatzausbaus
nicht mehr länger zu leugnen sind – behaupten, "man habe ja keine
Vergleichsdaten, ob es früher nicht auch schon so schlimm gewesen
ist" ..
Dazu gehört auch ein hochauflösendes kleinregionales Register über die
Erkrankungshäufigkeit und die Sterblichkeit für alle Krebsarten. Die
Methodik hierfür ist verfügbar. Eine solche Untersuchung darf freilich
nicht zur Täuschung der Bevölkerung von einer politisch abhängigen,
vorauseilend gehorsamen "task force" (die nichts finden soll und
will) produziert, sondern muß von fachlich kompetenten, unabhängigen und
integeren Epidemiologen durchgeführt werden, selbstverständlich auf
Kosten der verantwortlichen Schadensverursacher, nämlich hier der Stadt
Kiel und des Landes Schleswig-Holstein als Träger des Flugplatzes
Kiel-Holtenau.
Risiko von Flugzeugkatastrophen
Der von der geplanten Erweiterung des Flugplatzes Kiel-Holtenau
betroffenen Bevölkerung – immerhin weit mehr als 150.000 Menschen –
wird verschwiegen, daß mit dem geplanten wachsenden Flugverkehr neben der
Lärm- und Abgasbelastung auch die Gefahr einer Absturzkatastrophe näher
rückt. Gelegentlich wagen Befürworter des Ausbaus sogar den Begriff
"Verantwortung" auszusprechen? Auch dies ist einfach Täuschung:
Bei jeder Katastrophe sind diejenigen, die daran mitschuldig sind, die
ersten, die verschwunden sind. Das wird auch in Kiel so sein.
Die lokale und regionale Ärzteschaft wäre gut beraten, sich ihrer
Verpflichtung zu präventiv-medizinischem Handeln zu besinnen: es ist
weitaus humaner (und kostensparender), Krankheiten zu vermeiden als sie
erst eintreten zu lassen und die Betroffenen dann langwierigen,
kostenträchtigen und fraglichen Heilungsversuchen zu unterziehen. Sich
durch öffentliches Engagement gegen offensichtlich gesundheitsschädliche
Projekte schützend vor die Mitmenschen zu stellen, damit sie nicht zu
Patienten werden, ist auch Teil der ärztlichen Ethik und wird von den
Geschützten hoch geachtet.
Geschäftsverkehr
Es fehlt der Nachweis der bisherigen Auslastung der Fluglinien des
Flugplatzes Kiel-Holtenau durch Geschäftsreisende und ob deren bisherigen
Flüge überhaupt erforderlich gewesen sind. In einer Zeit, in der
zunehmend Geschäftsbeziehungen und internationale Konferenzen über die
verschiedenen elektronischen Medien sehr viel effizienter abgewickelt
werden als durch "Vertreterbesuche", muß auch die Wirtschaft
zur Einsparung überflüssiger und daher unnötig Menschen, Umwelt und
Klima belastender und kostbare Ressourcen verschwendender
Personentransporte aufgefordert werden. Die Bahn bietet hier die bessere
Alternative, zumindest für die meisten Inlandflüge. Das hat endlich auch
die Bundesregierung, vertreten durch den derzeitigen
Bundesverkehrsminister Bodewig, öffentlich proklamiert. Lärm und
Schadstoffe sind "Abfall" des Flugverkehrs, daher gilt auch hier
gesetzlich das Vermeidungs- und Minimierungsgebot.
Es fehlt der Nachweis, daß in Zukunft geschäftliche Auslandsflüge nicht
auch weiterhin über die jetzigen Großflughäfen getätigt werden
können. Wer nach Australien, Japan oder den USA fliegen will, hat keinen
Anspruch darauf, vor der Haustüre starten zu müssen.
Die bisher praktizierte "Auslastung" der Flugzeuge in
Kiel-Holtenau durch Auffüllen mit Ministerialbeamten (= doppelte
Subventionierung) ist ohnehin nicht gerechtfertigt, da für sie
Dienstfahrten mit der Bahn (selbstverständlich 2. Klasse) wegen der
besseren Nutzung der bezahlten Arbeitszeit z. B. für Fortbildung und
Aktenstudium (gerne auch zum Nachdenken über die Steigerung der
Gemeinnützigkeit ihrer hochdotierten Tätigkeit) wesentlich ergiebiger
sein könnten.
Arbeitsplätze??
Dieses Argument wird immer als letztes aus dem Ärmel geholt, wenn
alle übrigen nicht überzeugen können. Dabei hoffen die Betreiber, daß
die – durch Unfähigkeit von Politik und Wirtschaft mit Arbeitslosigkeit
belastete – Bevölkerung sich hiermit immer wieder täuschen und mundtot
machen läßt.
Zur Erinnerung ein Beispiel: Es gab in diesem Lande einst einen
Ministerpräsidenten G. Stoltenberg, der sich gern der "große Klare
aus dem Norden" nennen ließ. Vor 20 Jahren wollte er – von wem und
mit welchen Mitteln auch immer bewegt – das ehedem blühende Bauernland
im Südwesten Schleswig-Holsteins (Region Brunsbüttel) in eine
"blühende Industrielandschaft", ja in ein
"Chemie-Zentrum" verzaubern. Und damit diese zu schluckende
Kröte besonders schmackhaft wurde, versprach er damals "über 10.000
neue Arbeitsplätze". Geworden sind’s mal knapp 2.000, und von den
dadurch vernichteten Arbeitsplätzen der Region und von der durch die
jetzige (mit Atomkraftwerken zusätzlich belasteten) Industriewüste
zerstörten Landschaft sprechen nur noch wenige.
Und wie sieht denn die vollmundig verheißene "Verantwortung"
der hierfür Verantwortlichen dann aus, wenn dort eine große Katastrophe
eintritt?
Die Realität: Der subventionierte Flugtourismus und der Einflug
ausländischer Billigprodukte, die ebenso gut (oder besser) vor Ort
produziert werden könnten, zeigt in der Bilanz, daß ein Ausbau von
Flughäfen die Arbeitsmöglichkeiten exportiert. Wie viele Firmen
mit wie vielen Arbeitsplätzen wurden denn im Großraum Kiel bisher durch
den Flugplatz Kiel-Holtenau geschaffen und wie viele werden es nach dem
geforderten Ausbau denn werden, und wer wird dafür mit welchem Gegenwert
garantieren, und für wen? Lügen haben bekanntlich (siehe Beispiel
"Brunsbüttel") kurze Beine. Und wie viele Arbeitsplätze werden
durch die Belästigungen des nach einem Ausbau des Flugplatzes ständig
wachsenden Flugverkehrs endgültig vernichtet??
Deutsche Unternehmer, stellte die Lufthansa fest, investieren zunehmend im
Ausland, ausländische Unternehmen weit weniger in Deutschland. Wie viel
Kaufkraft entzieht der wachsende Flugverkehr auch der Kieler Region?
Diese Zusammenhänge werden von den Gefälligkeitsgutachtern ihrer
Auftraggeber ignoriert. Es besteht der dringende Verdacht, daß hier die
von Politik und Wirtschaft verschuldete Arbeitslosenproblematik (siehe
oben) zur Vortäuschung eines "für den Erhalt des
Wirtschaftsstandortes Kiel dringend erforderlichen Ausbaus des Flughafens
Kiel-Holtenau" – entweder aus Mangel an Intelligenz oder aber in
perfider Weise – mißbraucht wird. Andere Landesregierungen, hier NRW im
Falle des Flughafens Münster-Osnabrück, sind ausnahmsweise etwas
ehrlicher: "Trotz höheren Verkehrsaufkommens werden
Rationalisierungen die Vermehrung von Arbeitsplätzen verhindern ..."
(Landesregierung NRW Drucksache 12/2629, 1997).
Beschäftigungspolitisch spielt der Luftverkehr keine Rolle.
Klimaschutz
Die Befürworter eines Flugplatzausbaus, die dabei übersehen, daß
ein solcher die internationale Klimaschutz-Konvention Agenda 21 – zu der
sich die Stadt Kiel einmal offiziell bekannt hat – zu einer Farce
degradiert, haben wohl noch immer nicht begriffen, wie spät es ist und
daß die menschengemachten Klimaveränderungen jetzt schon bei uns und
weltweit spürbar sind und bereits die Kinder- (d. h. die jetzt 40 –
20-Jährigen) und noch stärker die Enkelgeneration treffen werden.
Eine weiterblickende, auch für die nächsten Generationen verantwortungsbewußt
handelnde Politik muß
- für einen wirklichen Klimaschutz auf eine deutliche Reduzierung
des ökologisch unverantwortlichen Flugverkehrs allgemein hinwirken (und
bevorzugt die Effizienz der Bahnverbindungen optimieren) und in diesem
Zusammenhang das Flugbenzin endlich ebenso hoch besteuern wie andere
Kraftstoffe auch;
- verhindern, einen Lärm- und Abgas-trächtigen Flughafen in die Nähe
einer großen Stadt oder gar mitten in ein Wohngebiet zu bauen;
- sich stets im Klaren sein, daß eine Regierung – gleichgültig ob
auf Bundes- oder auf Dorfebene – in einem demokratischen Staat auf die
Mehrheit der Menschen hören muß.
Wenn die derzeitige Politik weiterhin für sich in
Anspruch nehmen will, diese Staatsform sei eine demokratisch verfaßte,
dann müssen unsere Volksvertreter, denen wir mit ihrer Wahl ein
"Mandat" (d. h. einen Auftrag) anvertraut haben, alle
ihre Kraft einsetzen, daß auch im Zusammenhang mit den Planungen eines
Ausbaus des Flugplatzes Kiel-Holtenau der Schutz der Menschen (und
der Natur) in der betroffenen Region höchste Priorität haben muß. Daher
muß der Kieler Oberbürgermeister Norbert Gansel öffentlich
bekennen, auf welcher demokratischen Grundlage denn, wie er sagte, "der
Ausbau notfalls auch gegen die Interessen der Anlieger durchgesetzt werden
müsse" ... (Kieler Nachrichten vom 05.04.2001).
Ich warne dringend vor der zwar gesetzeswidrigen, aber dennoch drohenden,
weil regelmäßig praktizierten und daher auch in diesem Falle
vorhersagbaren Salamitaktik:
Wird erst einmal ein kleines Zugeständnis den Betroffenen abgerungen, so
folgen ständig heimliche oder auch offen dreiste weitere Ausweitungen der
Flugplatzkapazität, und die Betroffenen haben keine Chancen mehr, sie zu
verhindern. Diese Strategie der vorsätzlichen Täuschung ist bei allen
derartigen Großprojekten zu beobachten.
Wehret den Anfängen! |