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Flughafen Frankfurt-Hahn: Mit der Gelassenheit des Rheinhessen


Der Sinologe und Unternehmer Siegfried Englert will den Flughafen Hahn zusammen mit Chinesen kaufen. Die üblichen Allüren von Investoren sind dem Mann aus dem ländlichen Rheinhessen fremd.

06.08.2016, von Jochen Remmert, Frankfurt

Wenn einer erzählt, er wolle einen Flughafen kaufen und betreiben, vermutet man vielleicht einen Typ vom Kaliber Michael O`Leary, dem schrillen Chef der Billigfluglinie Ryanair. Schließlich hat der Ire auch schon einmal in Richtung Lufthansa gefrotzelt, er werde womöglich noch eine Langstreckenflotte kaufen, falls der Premiumkonkurrenz die Luft ausgehe. Man rechnet eventuell auch mit einer Riege tougher Geschäftsleute, die in Slim-fit-Anzügen stecken und immer neue Anlagemöglichkeiten suchen.

Aber ganz gewiss erwartet man keinen netten Herrn in den hohen Sechzigern wie Siegfried Englert, der gerne einmal einen Schlips mit Büchern drauf trägt und so gemütlich erscheint wie der Weinort Westhofen unweit von Alzey, in dem er wohnt. Der von Hause aus Sinologe ist und Professor am Ostasieninstitut der Hochschule in Ludwigshafen, und der einmal Wirtschaftsstaatssekretär der SPD in der Mainzer Landesregierung war.


Ein China-Experte mit offensichtlich exzellenten Kontakten

Und doch nimmt ebendieser 1947 in Worms geborene Siegfried Englert gerade einen zweiten Anlauf, um den hochdefizitären Flughafen Hahn im Hunsrück zu übernehmen. Er tut das allerdings nicht allein, sondern zusammen mit dem chinesischen Mischkonzern HNA, den er als Partner für seine Deidesheimer ADC GmbH gewonnen hat.

Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass das unprätentiöse Auftreten Englerts nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass der China-Experte offensichtlich über exzellente Kontakte in die Wirtschaftsgroßmacht verfügt. Denn die Reputation der HNA-Gruppe bedarf keiner Prüfung mehr durch KPMG oder eine andere Beratungsgesellschaft, was im Übrigen auch nicht vor hochnotpeinlichen Fehleinschätzungen schützt, wie die Mainzer Landesregierung gerade erst im Fall des offenbar betrügerischen Möchtegernflughafenkäufers Shanghai Yiqian Trading lernen musste.


Was liegt dem Investor Englert an Hahn?

Der chinesische Konzern HNA ist längst als milliardenschwerer, seriöser Investor bekannt, der weltweit einkauft. In China betreibt die Gruppe unter anderem mehr als ein Dutzend Fluggesellschaften, dazu kommen Beteiligungen in Frankreich, Brasilien und Ghana. Zu Beginn des Jahres hat HNA das Flugzeugleasingunternehmen Avolon übernommen. Der Bodenabfertiger Swissport gehört auch schon zur Gruppe, und der Airline-Caterer Gate Gourmet wird demnächst wohl ebenfalls übernommen. Unter dem Stichwort Risikostreuung investiert die HNA-Gruppe gleichzeitig in die Entwicklung von Industrieparks. Einen solchen wollen die Chinesen auch in Bad Schwalbach im Taunus bauen. Das frühere Kurhotel im selben Ort haben sie ebenfalls gekauft. In beiden Fällen ist Englert mit seiner ADC GmbH gewissermaßen Vertreter der chinesischen Seite in den Verhandlungen.

Der Mann hat also exzellente Kontakte in China. Aber warum in seinem Alter noch einmal solch ein anspruchsvolles und gewiss auch aufreibendes Vorhaben, einen Regionalflughafen rentabel machen zu wollen, den selbst die große Fraport AG nie in die schwarzen Zahlen bekommen hat? "Na, ich will eben meine sehr guten Kontakte in China nutzen, um etwas für die Zukunft des Hahn zu tun", sagt Englert.


Englert sieht eine Durststrecke für die nächsten Jahre

Das klingt zumindest für Investoren des üblichen Zuschnitts ungewöhnlich bescheiden. Und tatsächlich ist es Englerts Sache nicht, mit vollmundigen Ankündigungen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, im Gegenteil: "Ich weiß nicht, ob wir es schaffen werden, wenn wir den Zuschlag bekommen", leitet er seine Antwort auf die Frage ein, wie das Vorhaben gelingen soll. Dann folgen - wiederum anders als sonst an dieser Stelle üblich - keine hochfliegenden bis euphorischen Zukunftspläne. Englert benennt vielmehr die Hürden, die er und seine chinesische Partner zu überwinden haben, um am Hahn erfolgreich zu sein: "Es muss zusammen mit einem starken Partner aus der Luftfahrt gelingen, eine deutliche Steigerung des Flugverkehrs auf dem Hahn hinzubekommen, um ausreichend Umsatz zu generieren. Gelingt das nicht, hat alles keinen Zweck", gibt Englert zu. Mit 50 Millionen Euro Finanzbedarf in den nächsten Jahren rechnet er. Eine Durststrecke von mindestens anderthalb bis zwei Jahren müsse überbrückt werden. Dazu müssten die chinesischen Partner bereit sein. Ob sie es tatsächlich sind, muss sich nun bei der Ausarbeitung des Businessplans bis Ende des Monats zeigen.

Mit Hainan Airlines, einer der Fluggesellschaften des HNA-Konzerns, steht Englerts ADC zwar inzwischen die größte private Fluggesellschaft Chinas als Partner zur Verfügung. Der Westhofener Professor will aber nur dann tatsächlich die Herausforderung annehmen und ins neue Bieterverfahren einsteigen, wenn es gelingt, einen "wirklich tragfähigen Businessplan zu erstellen", wie er sagt. Er werde sich auf keinen Fall mit einem halbgaren oder unfertigen Plan auf ein Abenteuer einlassen, das am Ende auch für die Zukunft des Flughafens Hahn keinen Nutzen habe.


Idee eines Ausbildungszentrums

Dass er nicht schon bei der ersten Ausschreibung mit seinem Gebot von einem Euro plus Kassenstand zum Zuge kam, sondern vielmehr ein dubioser Mitbewerber, die zwar Millionen geboten, aber offenbar keinen Cent auf der Bank hatte, ärgert ihn schon. Aber auch das nimmt er inzwischen gelassen.

Natürlich sieht er nicht nur Risiken, sondern auch große Chancen für den Hahn, sonst würde er sich nicht als Unternehmer engagieren. So hält es Englert für möglich, dass der Hunsrückflughafen besonders von der gestiegenen Reiselust der in China zahlenmäßig und finanziell erstarkten Mittelschicht profitieren könnte. Und zwar nicht nur im nächsten Jahr, wenn es viele Chinesen zum zweihundertsten Geburtstag von Karl Marx, der nach wie vor hochverehrt ist in der Volksrepublik, in dessen Geburtstadt Trier ziehen wird.

Der Hahn könnte nach den Vorstellungen Englerts auch zu einem Ausbildungszentrum für chinesische Verkehrspiloten werden, die ohnehin zu einem großen Teil im Ausland ihre Ausbildung absolvierten. Warum also nicht im Hunsrück, fragt er. Die vorhandenen Wartungskapazitäten könnten ebenfalls von chinesischen Airlines genutzt werden. Und schließlich klingt auch Englerts Idee gar nicht unplausibel, Mechanik und Elektronik aus chinesischer Produktion im Hunsrück endmontieren zu lassen, um sie anschließend mit dem begehrten und verkaufsfördernden Label "made in Germany" zu versehen. Passende Grundstücke dafür am Flughafen Hahn hat der umtriebige Mann mit seiner ADC jedenfalls schon einmal gekauft. Die könnten sich im Übrigen auch dann für Englert als lukratives Investment erweisen, wenn nicht ADC, sondern ein anderer Bewerber den Zuschlag für Kauf und Betrieb des Flughafens Hahn erhält.

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.08.2016)