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Ex-Hahn-Chef zeigt Nachfolger an


Von Markus Lachmann

HUNSRÜCK-FLUGHAFEN Schumacher wirft Rethage Verleumdung und Untreue vor / Zerwürfnisse bei den Genossen

LAUTZENHAUSEN - Die Mail an den Juristen des Flughafens Hahn geht am 6. Dezember 2013 ein. "Wir hoffen, dass dies Ihren Nachforschungen dient", schreibt Oliver Riedel dem Hahn-Mitarbeiter. Riedel ist Geschäftsführer der Firma SSD (Serve & Smile Dienstleistungs GmbH). Die Firma erledigt am Hunsrück-Flughafen die Passagierabfertigung. Angehängt ist ein Word-Dokument, mit knappem, aber wichtigem Inhalt: Dort sind die Gesellschafter der SSD aufgeführt, Christiane Ebert-Balkowski, ihr Bruder und ihr Schwager.

Die Infos sind von Belang, denn am defizitären Flughafen hatte man intern nachforschen lassen. Der Verdacht: Die Firma SSD macht möglicherweise aufgrund äußerst vorteilhafter Verträge exorbitante Gewinne. Wurde etwa vom damaligen Flughafen-Geschäftsführer Jörg Schumacher gemauschelt, steht er womöglich selbst hinter der Firma und kassiert kräftig ab? Die Mail vom 6. Dezember entlastet ihn an dieser Stelle. Gegen Schumacher und zwei weitere Personen ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft. Der Verdacht: Untreue in Zusammenhang mit der Passagierabfertigung. Möglicherweise wurde bei einer Vertragsverlängerung mit der SSD im Jahr 2009 Vergaberecht umgangen.

Mail nicht geöffnet

Flughafenchef Heinz Rethage, der vor 15 Monaten Schumacher ablöste, steht mittlerweile jedoch selbst im Feuer. Unserer Zeitung liegen Unterlagen vor. Aus diesen geht hervor, dass Rethage die Mail am 6. Dezember von dem Juristen weitergeleitet bekam. Doch geöffnet haben will er diese Mail nicht. Am 19. Dezember, auf der Aufsichtsratssitzung des Flughafens, soll Rethage die Namen Schumacher und Maxeiner (der frühere Hahn-Prokurist) als mögliche Treugeber der Firma SSD ins Gespräch gebracht haben. Von der entlastenden Mail war dort keine Rede. Nicht zuletzt wegen der Verdachts, der damalige Geschäftsführer Schumacher habe am Hahn kräftig mitkassiert, dürfte Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro die Staatsanwaltschaft Koblenz eingeschaltet haben.

Der Hahn-Aufsichtsrat erfuhr erst am 4. April 2014 vom Vorhandensein der Mail. Entsprechend aufgebracht sollen dessen Mitglieder gewesen sein. Auch die Staatsanwaltschaft wurde stutzig. Denn Rethage hatte in seiner Vernehmung im März dieses Jahres die Mail nicht erwähnt, in den Dokumenten der Ermittler tauchte sie aber auf einmal auf. Am 7. April schreibt Rethage der ermittelnden Staatsanwältin: "Leider habe ich ausgerechnet diese E-Mail, auf die ich so sehr gewartet habe, nicht geöffnet."

Persönlich übergeben

Das will Rethage mit einem Bildschirmfoto seines Rechners belegen. Die Aufnahme ("Screenshot") wurde offenbar am 7. April gemacht und an die Staatsanwaltschaft geschickt. Demnach sind 439 Mails als ungelesen gekennzeichnet, darunter die betroffene Mail der Firma SSD - bei einem Posteingang von 1550 Mails. Wurde an den Mails manipuliert? Um eine bereits gelesene Mail als ungelesen zu kennzeichnen, bedarf es weniger Mausklicks. Auch andere Mails aus dem vergangenen Dezember sind bei Rethage als "ungelesen" markiert. Darunter etwa eine vom Finanzchef des Flughafens zu Überstunden oder eine Info des zweiten Geschäftsführers, Markus Bunk. Fragen bleiben. Ein Geschäftsführer eines 380-Mann-Betriebs, der monatelang keine Mails liest? Zudem hatte SSD-Geschäftsführer Riedel das Schreiben mit den Treugeberstrukturen noch am 6. Dezember ausgedruckt und der Sekretärin Rethages persönlich übergeben.

Mittlerweile liegen mindestens drei Strafanzeigen gegen Rethage vor, seit neuestem auch eine seines Vorgängers Jörg Schumacher - wegen des Vorwurfs der Untreue und der Verleumdung. Laut der Anzeige soll Rethage der Staatsanwaltschaft und dem Aufsichtrat Informationen vorenthalten haben. Untreue wird vermutet, weil Rethage den angeblich nachteiligen Vertrag mit der SSD jederzeit kündigen konnte - sogar kündigen musste. Auch innerhalb der Genossen scheint es zu gären. So soll Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) Innenminister Roger Lewentz und Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro aufgefordert haben, Rethage zu feuern.

(Allgemeine Zeitung vom 22.04.2014)