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Ausblick Hahn: Entschuldet das Land den Flughafen?


Rheinland-Pfalz - In der rot-grünen Landesregierung versucht man dieser Tage, den Flughafen Hahn mit einer konzertierten Aktion auf ein solides Fundament zu stellen. Dazu wird offenbar auch intensiv über eine Entschuldung diskutiert, wie unsere Zeitung erfuhr. Offenbar ringen SPD und Grüne um einen Weg, um den Hunsrück-Fliegerhorst aus der Schuldenfalle zu befreien.

Die Flughafengesellschaft, die zu 82,5 Rheinland-Pfalz und zu 17,5 Prozent Hessen gehört, muss bis 2017 rund 120 Millionen Euro an Verbindlichkeiten bedienen. Ende März werden bereits 12,8 Millionen Euro fällig. Die Zinslast für den Schuldenberg beträgt 6 Millionen Euro.

Der neue Hahn-Geschäftsführer Heinz Rethage weiß, dass ein Umsatz von 40 Millionen Euro nicht reicht, damit der Hahn die derzeitigen finanziellen Lasten aus eigener Kraft schultert. Daher will er den defizitären Flughafen mit einem ehrgeizigen Umbauprogramm wieder auf die Spur bringen (wir berichteten). Dazu hat der frühere Chef des Landesbetriebs Mobilität (LBM) in den nächsten drei bis fünf Jahren sogar Investitionen von rund 40 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Damit soll unter anderem die Rollbahn umgerüstet werden - ein Millionen-Projekt.

Nachtragshaushalt denkbar

Bei einer Entschuldung würde das Land (direkt oder indirekt) zum Kreditnehmer werden. Ein Nachtragshaushalt wäre wohl fällig. Im Moment hat der Hahn rund 80 Millionen Euro an Verbindlichkeiten bei den Banken und 40 Millionen Euro beim Liquiditätspool des Landes. Die Einbindung dieses Geldpools senkt zwar die Zinsbelastung, weil Kredite extrem günstig vergeben werden können, ist aber politisch umstritten. CDU und Rechnungshof sehen im Liquiditätspool eine "schwarze Kasse", die sich der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Rot-Grün weist diesen Verdacht scharf zurück, will die Hahn-Gelder aber dennoch mittelfristig umschichten.

Das Landesfinanzministerium wollte sich am Dienstag zu etwaigen Entschuldungsplänen nicht äußern. Ein Sprecher erklärte lediglich gegenüber unserer Zeitung: "Derzeit ist viel im Fluss."

Eine Entschuldung ließe sich möglicherweise auch mit dem Verkauf der landseitigen und luftseitigen Hahn-Infrastruktur kombinieren oder nacheinander realisieren. Die Übertragung von Straßen, Rollbahn, Tower und Vorfeld an den Landesbetrieb Mobilität dürfte zwischen 90 und 100 Millionen Euro bringen. Allein die luftseitige Infrastruktur (mit der Rollbahn) soll zwischen 80 und 85 Millionen Euro wert sein. Ein entsprechendes Gutachten dürfte inzwischen im rheinland-pfälzischen Infrastrukturministerium vorliegen. Auch denkbar ist natürlich, dass die Landesförderbank ISB, bei der ein Teil der Hahn-Verbindlichkeiten liegen, erst einmal Darlehen stundet.

Doch selbst wenn der Hahn seine Schulden los wird, muss er die - dann fällige - Pacht bedienen und im operativen Geschäft wieder Land gewinnen. Derzeit schreibt er vor allem rote Zahlen. Daher will der neue Hahn-Geschäftsführer - wie jüngst berichtet - an verschiedenen Spar-Stellschrauben drehen. Zudem geht die Suche nach Investoren weiter.

Gespräche mit Brüssel laufen

Kompliziert wird die Lage, weil jeder Lösungsweg mit der EU abgeklärt werden muss. Da die EU-Wettbewerbsbehörde gleich zwei Beihilfeverfahren gegen den Flughafen Hahn eröffnet hat, gilt ein Durchführungsverbot. Das Land kann dem Flughafen eigentlich nicht helfen. Mittlerweile suchen Wirtschafts-, Infrastruktur- und Finanzministerium sowie die Staatskanzlei intensiv nach einer Lösung. Mit Brüssel laufen auf Arbeitsebene intensive Gespräche.

Da die neue EU-Flughafenrichtlinie, die möglicherweise gewisse staatliche Hilfen zulässt, weiter überfällig ist, hängt das Land mit seinen Bemühungen quasi in der Luft. Aus der SPD hört man, dass bei der EU-Kommission möglicherweise eine Art "stillschweigende Tolerierung" auszuhandeln ist: Das Land unterstützt seinen Flughafen - wie auch immer - und Brüssel verhindert es nicht, erlaubt es aber auch nicht öffentlich.

Kein Modell wirklich belastbar

Im Moment ist kein Modell wirklich belastbar. Die halbe Landesregierung tüftelt an einem Ausweg im Einvernehmen mit der EU. Vielleicht erreicht ja auch CDU-Oppositionsführerin Julia Klöckner etwas, wenn sie heute mit Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia und EU-Energiekommissar Günther Oettinger spricht.

Bei den Grünen, die anfänglich reichlich entsetzt über die prekäre Lage am Hahn waren, setzt sich indes die Erkenntnis durch, dass sie aktiv zur Konsolidierung des Flughafens beitragen wollen. Allein schon deshalb, weil sonst im Hunsrück Tausende Arbeitsplätze wegbrechen würden, heißt es.

Langfristig wird die Zukunft des Hahns in SPD-Kreisen, aber auch in der Wirtschaft eher positiv bewertet. Die 24-Stunden-Flugerlaubnis bleibt ein dickes Pfund, die Hoffnung auf ein erneutes Aufblühen des Frachtflugverkehrs ein Lichtblick. Und da es 70 Beihilfeverfahren gegen europäische Regionalflughäfen gibt, wächst auch der Druck auf Brüssel, keine ganz so harte Linie zu verfolgen. Denn viele Regierungen nehmen seit Jahren Geld in die Hand, um ihren jeweiligen Flugplatz zu stützen.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück

(Rhein-Zeitung vom 20.02.2013)