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"Wie ein Panzer überall durch"

03.09.2013 - LAUTZENHAUSEN
Von Markus Lachmann
HAHN Offene Kritik aus dem Aufsichtsrat an Flughafen-Chef Rethage / Fall von Günstlingswirtschaft?

In Brüssel weilte Innenminister Roger Lewentz gestern, zusammen mit den beiden Geschäftsführern des Flughafens Hahn. Es ging um eine Podiumsdiskussion zum Thema Regionalflughäfen. Womöglich haben die Drei den Tag in der belgischen Hauptstadt genossen - denn am Hunsrück-Airport in Rheinland-Pfalz herrscht derzeit das nackte Chaos.

Neuester Aufreger: Flughafen-Geschäftsführer Heinz Rethage, der das Unternehmen derzeit durchforstet, ist auf einen Fall möglicher Günstlingswirtschaft aus dem Jahr 2009 gestoßen. Die "Rhein-Zeitung" und der SWR berichteten in den vergangenen Tagen davon.

Doch wie aktuell und brisant ist der Fall wirklich - und warum wird er gerade jetzt an Medien lanciert, da Rethage selbst massiv in der Kritik steht?

Selbst Mitglieder des Hahn-Aufsichtsrats lästern mittlerweile offen über den Geschäftsführer. "Rethage ist wie ein Panzer, der fährt überall durch", sagt etwa Landtagspräsident und Aufsichtsratsmitglied Joachim Mertes. Der Hahn-Manager habe mit seinem Sanierungskonzept zwar eine gute Vorlage abgeliefert, sei aber "kein Teamspieler" und lasse die "sozialen Fähigkeiten schleifen". Und: "Er will immer Recht bekommen."

Zum Fall selbst: Im Fokus steht ein leitender Angestellter des Flughafens. Dessen Frau war an einem Unternehmen, der Serve & Smile Dienstleistungs GmbH (SSD) beteiligt. Die SSD ist am Hahn für Passagier- und Gepäckabfertigung zuständig, vom Check-In bis zum Boarding.

Weil seinerzeit die Mehrheitsgesellschafter Deutschland verließen, erwarb die Frau 2009 sämtliche Anteile an der Firma. Ihr Mann teilte dies dem damaligen Aufsichtsratschef Jochen Langen mit. Dieser hatte zwar nichts einzuwenden, bat aber um Mitteilung, falls es eine Interessenkollision gebe. Die gab es dann auch - wurde Langen aber nicht mitgeteilt. Ein Mainzer Logistiker hatte den Vertrag für die Gepäckabfertigung gekündigt, und die SSD-Tochter HSD (Handle & Smile Dienstleistungs GmbH) erhielt den Auftrag, ohne dass es eine europaweite Ausschreibung gab.

Ein "Fauxpas", sagt ein Insider. Allerdings habe es schnell gehen müssen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Fast ein Straftatbestand, meint ein anderer. Die Staatsanwaltschaft Koblenz erklärte gestern auf Anfrage dieser Zeitung, sie sehe nach den jüngsten Berichten keinen Anlass, zu ermitteln.

Langen schritt ein, als er im Herbst 2009 von der Vergabe erfuhr. "Ich habe den Geschäftsführern sowie dem leitenden Angestellten eine Rüge erteilt", sagt der Ex-Aufsichtsratschef im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Vertrag wurde aufgehoben, allerdings erhielt die Firma den Betrieb weiter aufrecht. Über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC wurde der Auftrag dann europaweit ausgeschrieben, die HSD erhielt erneut den Zuschlag.

Fragwürdige Vergabe

Der Frau wurde nahegelegt, die Anteile an der Firma zurückzugeben, was diese dann auch tat. "Damit war die Sache abgeschlossen", sagt Langen. Für ihn wird jetzt "eine alte Sache aufgewärmt". Auch Joachim Mertes hält den Fall für "längst erledigt". Er habe sich gewundert, dass Rethage die Sache in der jüngsten Aufsichtsratssitzung angesprochen habe.

Rethage hatte bei den aktuellen Recherchen seinen Geschäftsführer-Kollegen Wolfgang Pollety nicht eingebunden c dies dürfte der Grund sein, weshalb ihm von Aufsichtsratschef Hans Endler am Freitag die Zuständigkeit für den Bereich Revision entzogen wurde - und damit auch für den Fall SSD.

Mittlerweile herrscht bei allen Beteiligten Ratlosigkeit. Mal heißt es, der Stuhl von Rethage wackelt, mal heißt es, er wackelt nicht. Denn müsste der Sanierer gehen, wäre auch Innenminister Lewentz am Hahn gescheitert.

Weitere Akte in diesem Drama dürften folgen. Der leitende Mitarbeiter ist mittlerweile krankgeschrieben.

Weiterführende Links

(Allgemeine Zeitung vom 03.09.2013)