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Einsatz in Afghanistan
USA bangen um wichtigste Nachschubroute


Die Versorgung der US-Streitkräfte in Afghanistan läuft vor allem über Pakistan, doch die Beziehungen zwischen Amerika und Islamabad sind angespannt. Das Pentagon fürchtet um die Nachschubroute - und spielt teure Alternativen durch.

Berlin/Washington - Was, wenn Pakistan die wichtigsten Versorgungswege einfach dichtmacht? Diese Frage beschäftigt einem Bericht der "Washington Post" zufolge das US-Verteidigungsministerium. Demnach setzt das US-Militär verstärkt darauf, die eigenen Truppen und die Nato-Verbündeten in Afghanistan auf anderen Wegen zu versorgen, nämlich aus der Luft und über andere Länder in Zentralasien.

Zwar habe Pakistan nicht ausdrücklich damit gedroht, die Nachschubrouten der Amerikaner zu blockieren, berichtet die Zeitung. Aber im Pentagon wachse die Sorge, die Routen seien in Gefahr, nachdem sich die Beziehungen zischen den USA und Pakistan in den vergangenen Wochen noch einmal dramatisch verschlechtert hatten.

Bereits im September, schreibt die "Washington Post", habe Pakistan einen der wichtigsten Grenzübergänge nach Afghanistan vorübergehend gesperrt. Dadurch steckten dem Bericht nach Hunderte Lastwagen mit Treibstoff fest, einige wurden von Aufständischen angegriffen und zerstört.

Allerdings, so schreibt die Zeitung, würde es extrem teuer werden, die Versorgungswege zu verlegen - und es würde die USA abhängiger machen von autoritären Regierungen in Zentralasien.

Die "Washington Post" beruft sich auf einen hochrangigen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, dem zufolge das Militär zwar am liebsten weiterhin Nachschub über Pakistan liefern lassen wolle - einfach, weil es der direkteste und billigste Weg ist. Dennoch wolle das Pentagon vorbereitet sein, um Pakistan im Notfall umgehen zu können. "Entweder Zentralasien oder Pakistan, das sind die beiden Optionen. Wir wollen beide haben", zitiert die Zeitung den Mitarbeiter.

Gewachsenes Misstrauen

Es ist der jüngste Ausdruck des gewachsenen Misstrauens zwischen den beiden Ländern. Zwar ist Pakistan einerseits selbst Opfer von Terroranschlägen, hat nach eigenen Angaben rund 147.000 Soldaten im Anti-Terror-Einsatz und in den vergangenen Jahren mehr als 3000 Sicherheitskräfte bei diesem Kampf verloren. Andererseits verstecken sich dort offenbar hochrangige Taliban-Kommandeure und Qaida-Funktionäre. So wurde in der Nacht auf den 2. Mai Osama Bin Laden, meistgesuchter Mensch der Welt, in der Garnisonsstadt Abbottabad von einem US-Kommando getötet.

Die USA hatten sich bereits in den vergangenen Wochen für einen aggressiven Ton gegenüber dem schwierigen Partner im Anti-Terror-Kampf entschieden. So sagte etwa US-Außenministerin Hillary Clinton bereits im Juni mit wenig diplomatischer Rücksicht, Amerika sei nicht mehr bereit, milliardenschwere Militärhilfen für Pakistan zu leisten , solange es keine Veränderungen in den US-pakistanischen Beziehungen gebe. Das Land sei zwar ein Partner Amerikas, doch stimmten Worte und Taten nicht immer überein. Solange keine Konsequenzen gezogen würden, seien die USA nicht mehr bereit, Hilfen im bisherigen Umfang zu gewähren. Seit 2001 haben die USA dem pakistanischen Militär Hilfen über rund 20 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, alleine im vergangenen Jahr rund 2,7 Milliarden Dollar.

Allerdings sind die Optionen der Amerikaner begrenzt, wenn sie nun ihre Nachschubrouten umstellen und Pakistan umgehen wollen: Der Landweg vom Westen aus ist versperrt - er würde durch Iran führen. Es bleiben zwei Möglichkeiten: zum einen der Luftweg, der die Versorgung sehr teuer macht, wie die "Washington Post" berichtet. Dem Bericht zufolge kostet es etwa zehnmal so viel, Nachschub einfliegen als über Pakistan liefern zu lassen. Dennoch setze das Verteidigungsministerium verstärkt auf die Versorgung aus der Luft. Um die kosten einigermaßen gering zu halten, werden dem Bericht zufolge viele Güter auf dem Seeweg in den persischen Golf gebracht und erst dort auf Flugzeuge verladen.

Zum anderen bietet sich demnach der Landweg vom Norden her an: Schon jetzt kämen, so berichtet die "Washington Post", 40 Prozent der Nachschubgüter über zentralasiatische Schienennetze, im Pentagon "Northern Distribution Network" genannt. Die Zeitung schreibt, die US-Regierung würde etwa mit Usbekistan und anderen Ländern über Lieferwege verhandeln. Dem Bericht zufolge will Washington auch die Erlaubnis, eigene Truppen und Fahrzeuge über diesen Weg aus Afghanistan abzuziehen.


Weiterführende Links

(Spiegel Online vom 03.07.2011)