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Frachtflug kontra Lärmschutz: Gezerre um den Hahn


Wie wichtig ist der Flughafen Hahn strukturpolitisch, und muss das Land ihm finanziell helfen? Hier scheiden sich zwischen den rot-grünen Koalitionären in Mainz die Geister. Die SPD verweist stets auf die volkswirtschaftlichen Vorteile und Tausende Arbeitsplätze, für die Ökopartei stehen Betriebswirtschaftlichkeit und Lärmschutz im Vordergrund.

Mainz. Der Moselaner Alexander Licht sitzt seit 1991 im Landtag. Von Beginn an hat er sich um das größte Konversionsprojekt des Landes gekümmert. Kein Wunder, denn der Flughafen Hahn im Hunsrück befindet sich nur wenige Kilometer von seinem Wohnort Brauneberg entfernt. Aktuell treiben den CDU-Fraktionsvize heftige Bedenken um. Aus seiner Sicht und der der Union läuft es am Hahn grundsätzlich in die falsche Richtung.

"Die Grünen haben bei ihrem Bundesparteitag in Kiel einen Antrag mit dem Ziel eines bundesweiten Nachtflugverbots eingebracht. Das wäre das Aus für den Hahn als fünftgrößter Frachtflughafen in Deutschland. Und das widerspricht fundamental einem Hauptziel der Landespolitik", kritisiert Licht. Sauer stößt ihm auch auf, dass Wirtschaftsministerin Eveline Lemke bei einer Grundsatzrede in Kiel gefordert habe, die Subventionen für Regionalflughäfen zurückzufahren. "Der Hahn", betont Licht, "bekommt keine Subventionen des Landes".

Der Christdemokrat präsentiert eine andere Rechnung, verbunden mit einer Forderung, die Anfang November bei der 13. Hunsrück-Konferenz der CDU in Sohren erhoben wurde: Das Land müsse künftig "wie bei fast allen Flughäfen der Welt" als öffentliche Hand die Infrastruktur am Hahn finanzieren. Das sei bislang nicht der Fall, sondern der Flughafen habe die Verlängerung der Startbahn oder das Teeren der Landebahn selbst bezahlt. Deshalb stünden am Jahresende trotz eines Gewinns im operativen Geschäft jeweils rote Zahlen.
In der Tat kommen die Wirtschaftsprüfer von PWC in einer Analyse laut eines dem TV vorliegenden Dokuments zu dem Schluss, das Jahresergebnis des Hahns werde "durch die überdurchschnittlich hohe Belastung aus der Infrastruktur beeinflusst". Sie zeigen auf, dass der Hahn rund 38 Prozent seines Jahresumsatzes für den Kapitaldienst für die Verbindlichkeiten einsetzen muss. Flughäfen wie Nürnberg (24 Prozent), Köln-Bonn (19 Prozent) oder Berlin (12 Prozent) wirtschaften günstiger.
Aus eigener Kraft wird der Hahn, der seine Umsätze laut Ministerium durch Flughafenentgelte, Entgelte für Bodenverkehrsdienstleistungen, Parken und Mieten erzielt, wohl nicht aus den roten Zahlen herauskommen können. Die Erlöse beliefen sich laut Beteiligungsbericht 2011 im vergangenen Jahr auf 57 Millionen Euro - bei Verbindlichkeiten von 123,7 Millionen Euro.
Mit der Forderung nach Übernahme der Kosten für die Infrastruktur durch das Land stößt die CDU bei der SPD auf Verständnis, bei den Grünen nicht. Man überlege und prüfe, heißt es auf TV-Anfrage aus dem SPD-geführten Infrastrukturministerium. "Der Forderung stehen die politischen Ziele gegenüber, die Zuschüsse der öffentlichen Hand zurückzufahren", sagt hingegen Jutta Blatzheim-Roegler, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen.
In der Vergangenheit hat die SPD stets auf die volkswirtschaftlichen Vorteile des Hahn verwiesen und wird darin von der Union unterstützt. Laut einer Betrachtung des Zentrums für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs, die dem TV vorliegt, werden durch den Hahn erhebliche fiskalische Effekte erzielt. Die Steuereinnahmen aus der Produktion am Flughafen, aus der Nutzung des Flughafens oder durch Sozialversicherungsbeiträge beliefen sich demzufolge 2008 auf 93,5 Millionen Euro.

Die Grünen betonen etwas anderes. Regionalflughäfen stünden in einem harten Wettbewerb, der durch steigende Rohstoffpreise, rückläufige Passagierzahlen oder eine große Zahl von Konkurrenten erschwert werde, sagt Jutta Blatzheim-Roegler. "Für die Infrastruktur sind die Projekte durchaus wichtig, wenn eine Betriebswirtschaftlichkeit ohne öffentliche Zuschüsse zu gewährleisten ist."
Differenzen zwischen Rot-Grün gibt es offensichtlich auch bei der Beurteilung von Nachtflügen und des Frachtsektors. Infrastrukturminister Roger Lewentz hat kürzlich noch betont, das von einem Gericht verhängte Nachtflugverbot für den Flughafen Frankfurt biete Chancen für den Hahn mit seiner 24-Stunden-Fluggenehmigung, sofern das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu einem ähnlichen Urteil komme.

Jutta Blatzheim-Roegler (Grüne) sagt hingegen, dem "Recht auf unversehrte Gesundheit" sei "vor allem anderen Vorrang zu geben". Insbesondere in der Nacht bräuchten die Menschen einen Ruhekorridor. Namhafte Cargo-Unternehmen hätten bereits aus ökonomischen wie ökologischen Gründen einer dauerhaften Stationierung ihrer Logistikflotte auf dem Hahn - trotz Nachtflugmöglichkeit - eine Absage erteilt. Blatzheim-Roegler schlägt vor, "Investoren aus anderen Wirtschaftsbereichen für den Standort zu interessieren". Konkret meint sie damit "nicht-flughafenaffines Gewerbe".

Solche unterschiedlichen Ansichten erfährt man nur bei konkreten Nachfragen. Offiziell betonen beide Regierungspartner stets das Gleiche: Ziel sei eine größere wirtschaftliche Eigenständigkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn, heißt es.

(Trierischer Volksfreund vom 15.12.2011)