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Condor zählt bei Nachtflügen auf die Berliner Politik

Von Jochen Remmert, Oberursel

04. November 2009 Ralf Teckentrup glaubt nicht, dass es passiert. Der Chef der Ferienfluggesellschaft Condor kann oder will sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich zu einem Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen kommt: "So kurzsichtig können wir in Deutschland doch nicht wirklich sein", sagte der Manager, der auch Vorstand der Thomas Cook AG in Oberursel ist, im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Condor Flugdienst GmbH ist Teil der Thomas-Cook-Gruppe.

Die mit rund 70.000 Beschäftigten größte Arbeitsstätte Deutschlands in der Nacht zu schließen ist seiner Ansicht nach nicht zu rechtfertigen. "Wie wollte man das auch als Politiker vor sich selbst verantworten - egal, was die hessische CDU, die FDP oder sonst wer einmal gesagt hat?", fragt Teckentrup. Er hofft darauf, dass die neue Bundesregierung wie angekündigt das Luftverkehrsgesetz so ändert, dass der Nachtbetrieb wie bisher möglich bleibt. Teckentrup bestreitet dabei nicht, dass Luftverkehr auch Lärmbelastung bedeutet, hält dem aber das Arbeitsplatzargument entgegen: "Der Luftverkehr ist aber auch eine Industrie, in der wir Deutschen führend sind, in der wir gezeigt haben, dass wir Wachstum und Arbeitsplätze generieren können."

Viele Stunden am Tag in der Luft

Aber was, wenn das Verbot doch kommt? "Ich habe derzeit keinen detaillierten Plan B, auch wenn etwa 25 Prozent der Condor-Flüge in Frankfurt betroffen sind", sagt der Anfangsfünfziger, der vor seinem Wechsel zu Condor 2004 rund 19 Jahre im Management des Lufthansa-Konzerns gearbeitet hat. Er spricht von einer "politischen Bombe". Wenn der größte deutsche Flughafen in der Nacht geschlossen werden könne, dann sei das auch bei allen anderen Flughäfen durchzusetzen, die in Ballungsräumen oder auch nur in besiedeltem Gebiet liegen, folgert er. Im schlimmsten Fall sei Deutschland dann nachts "zu", ein "operativer Super-GAU" der Luftverkehrswirtschaft sei die Folge.

Tatsächlich würde das Geschäftsmodell der Ferienflieger mit einem Nachtflugverbot in der Zeit zwischen 23 Uhr und 5 Uhr früh so nicht mehr funktionieren. Denn wettbewerbsfähige Preise kann Condor nur dann bieten, wenn alle 34 Flugzeuge möglichst viele Stunden am Tag in der Luft sind. Ein Beispiel: Im Sommer bedient Condor die Verbindung vom Heimatflughafen Frankfurt auf die Kanaren zweimal am Tag. Für eine Strecke brauchen die Ferienflieger viereinhalb Stunden, für den Hin- und Rückweg also neun Stunden. Dazu kommt je eine Stunde, um die Maschine "zu drehen", das heißt, sie zu reinigen, zu betanken und dergleichen. Für zwei Umläufe macht das inklusive der drei Stunden Zwischenaufenthalt 21 Stunden, wie die Airliner vorrechnen. Wenn sie erst von fünf Uhr früh an fliegen können, schaffen sie es demnach nicht, bis 23 Uhr wieder auf der Heimatbasis Frankfurt anzukommen. Diese Rotation ist im Fall eines Nachtflugverbotes ausgeschlossen.

Zubringerflüge zum Ausgangsflughafen

Eine Fluggesellschaft, die ihre Flugzeuge nicht in Frankfurt, sondern auf den Kanaren stationiert, schafft diese zwei Umläufe schon, wie Condor-Manager Teckentrup sagt. Deren Jets könnten morgens um vier Uhr losfliegen und landeten dann am Ende des zweiten Umlaufs irgendwann gegen Mitternacht wieder auf den Kanaren. Für Teckentrup steht außer Zweifel, dass es keine deutsche Fluggesellschaft sein würde, sondern eine spanische, die von den Kanaren aus fliegen würde. Denn außer den Jets müssten auch die Crews und die Techniker dort stationiert sein. "Ein Export von Arbeitsplätzen", sagt er.

Ein Ausweichen auf den Flughafen Hahn im Hunsrück ist für die Condor nach eigenem Bekunden so wenig eine Alternative wie für die Lufthansa Cargo, die ebenfalls Nachtflüge von Frankfurt aus als unverzichtbar für ihr Geschäftsmodell bezeichnet. Auch die Ferienflieger können ihre Maschinen nur dann auslasten, wenn sie mit vielen Zubringerflügen zum Ausgangsflughafen des Ferienflugs rechnen können. Auf Frankfurt trifft das zu, auf den Flughafen Hahn nicht.

Zurzeit sind rund 1.500 der 2.800 Condor-Mitarbeiter in Frankfurt stationiert, darunter 160 Techniker, die die Flugzeuge warten. Nach der Lufthansa ist die Condor der zweitgrößte Kunde des Flughafenbetreibers Fraport AG.

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.11.2009)