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Volle Fracht voraus! Von Tanja Kewes

Eric Malitzke hat viel vor: Mit Leipzig/Halle will er im Frachtgeschäft bald zur Nummer zwei aufsteigen. Mit 34 Jahren ist er der jüngste Flughafenchef Deutschlands - und hat in dreieinhalb Jahren schon mehr geschafft als andere Airportmanager in Jahrzehnten.

LEIPZIG. Seine Enttäuschung war riesengroß. "Ich hätte vor Wut heulen können", sagt Eric Malitzke. Vor Wut über das Nachtflugverbot für Passagiermaschinen am Flughafen Leipzig/Halle. Die Entscheidung wird den größten ostdeutschen Flughafen nach Berlin ab dem Sommerflugplan 2008 wohl Tausende Passagiere kosten. Die Wut trieb den Jungmanager in den Clara-Schumann-Park in Leipzigs City. Allein blieb er zwischen den klassizistischen Pavillons, allein mit sich und seinem gebremsten Ehrgeiz.

Eric Malitzke ist mit 34 Jahren der jüngste Flughafenchef Deutschlands - und hat in dreieinhalb Jahren schon mehr geschafft als andere Airportmanager in Jahrzehnten.

Im November 2004, kurz nach seinem Amtsantritt, entscheidet sich die Expresstochter der Deutschen Post, DHL, ihr neues europäisches Frachtdrehkreuz in Leipzig/Halle aufzubauen. Im Juli 2007 nimmt Malitzke die neue Start- und Landebahn Süd in Betrieb. Dann, im September 2007, gründen DHL und die Frachttochter der Deutschen Lufthansa, Lufthansa Cargo, eine gemeinsame Frachtfluglinie. Heimatflughafen soll ab 2009 Leipzig/Halle sein.

Das Frachtgeschäft am Flughafen boomt. Im vergangenen Jahr hat es sich auf über 100 000 Tonnen nahezu verdreifacht. "8 000 Tonnen Fracht haben wir im Gesamtjahr 2004 abgewickelt", sagt er, während sein Wagen an den gummibootgelben Frachtterminals von DHL vorbeifährt, "ab April werden es 8 000 Tonnen pro Woche sein."

Noch in diesem Jahr will er den nach Frankfurt und Köln-Bonn drittgrößten deutschen Frachtflughafen München überholen. Bis 2015 will er am Rivalen Köln-Bonn vorbeiziehen und Nummer zwei sein. Dessen Chef, Michael Garvens, bekommt dies schon zu spüren. Er rechne in diesem Jahr mit deutlich weniger Frachtverkehr, kündigte er vergangene Woche an. Volle Fracht voraus! lautet hingegen Malitzkes Parole.
Auch im Passagiergeschäft lief es zunächst gut. Die Zahlen stiegen von knapp zwei Millionen im Jahr 2003 auf über 2,7 Millionen Passagiere im vergangenen Jahr. Doch das neue Nachtflugverbot für Passagiermaschinen verhindert frühe Ferienflüge von Air Berlin und Condor. Zuvor hat sich bereits Tuifly zurückgezogen. Die Billig- und Ferienfluggesellschaft aus Hannover brachte im vergangenen Jahr rund 250 000 Passagiere nach Leipzig. "Das Loch werden wir nicht stopfen können und die Zahl von 2,7 Millionen Passagieren nicht halten können", sagt Malitzke.

Die Coups in der Fracht und die Pleiten in der Passage redet Malitzke nicht schön. Die Entwicklung werde in den kommenden Jahren zweigeteilt verlaufen, sagt er. "In der Fracht und in der Logistik haben wir am Flughafen Leipzig/Halle einen neuen Markt kreieren können, im Passagiergeschäft ist uns das nicht gelungen." Das Plus in der Fracht werde die Verluste in der Passage aber mehr als ausgleichen. Für das laufende Jahr erwarte er, dass der Gesamtumsatz um zehn Millionen auf über 80 Millionen Euro steige.

Malitzke ist sehr ehrgeizig. "Stolz" sei er gewesen, erzählt er in seinem Büro vor dem großen Farbfoto einer DHL-Frachtmaschine, als er auf dem Heimweg zwei Männer in DHL-Jacken gesehen habe. Ein Showman ist er aber nicht - auch wenn er mit seinen hellblauen Augen, seinem Zweitagebart und seinem schmal geschnittenen Anzug von einer Plakatwand lächeln könnte. Für Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), ist er "unser größtes Talent". Er sei kein Sprücheklopfer, sondern verfolge seine Ziele still und nüchtern. Kerosin ist Malitzke früh in die Nase gestiegen. Aufgewachsen in Kelsterbach, einem Ort in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens, begeistert er sich für die Luftfahrt. Als Kind baut er Flugzeugmodelle mit Airfix-Bausätzen nach, als 20-Jähriger startet er eine Ausbildung zum Luftverkehrskaufmann beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport und steigt rasch auf. Als Heinz Ruhnau, Aufsichtsratschef der Mitteldeutschen Flughafen AG, zu der Leipzig/Halle und Dresden gehören, einen Geschäftsführer sucht, empfiehlt der damalige Fraport-Personalvorstand Herbert Mai den jungen Malitzke.

In Leipzig verliebt sich Malitzke - auch wenn nicht alle Leipziger ihn lieben. Der Flughafenausbau stößt in der Stadt und benachbarten Gemeinden auf Kritik. Zu den sogenannten Turnhallenrunden, die die IG Nachtflugverbot veranstaltet, geht auch Malitzke - als ungeladener und unwillkommener Gast. Nach Abenden, an denen er als "Lügner" und aufgrund des Arbeitsplatzarguments als "Zyniker" beschimpft wird, ruft er schon mal Michael Hupe an, den Chef des Flughafens Dresden, der "Eric" als jemanden beschreibt, der "sich Herausforderungen stellt".

Wenig auskunftsfreudig ist der Hesse bei den Geschäftszahlen. Warum? Im Geschäftsjahr 2006 stieg der Umsatz zwar um knapp 16 Prozent auf 54,4 Millionen Euro. Aber unter dem Strich stand ein Verlust von 39,1 Millionen Euro. Für das vergangene Jahr erwartet Malitzke einen Umsatz von über 70 Millionen und einen erstmals positiven Cash-Flow. Von Gewinn will er noch nicht sprechen. Schließlich sei der Flughafen Leipzig/Halle noch in der Entwicklung.
Genau wie er. Seinen Vertrag als Geschäftsführer hat er jüngst vorzeitig um fünf weitere Jahre verlängert.

(Handelsbaltt vom 21.01.2008)