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Neue Flugverfahren reduzieren Lärmbelastung

9.4.2008, Am 9. April 2008 schließen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Forschungspartner das Verbundprojekt "Lärmoptimierte An- und Abflugverfahren" (kurz LAnAb) ab. Das Projekt wurde mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) durchgeführt, um neue leisere Flugverfahren für Verkehrsflugzeuge zu entwickeln und zu erproben. Der von einem startenden oder landenden Flugzeug zum Boden abgestrahlte Geräuschpegel wird nicht allein von den Triebwerksgeräuschen und den bei der Umströmung der Fahrwerke und Tragflügel entstehenden Geräusche bestimmt, sondern auch davon, wie steil es startet beziehungsweise in welchem Anflugwinkel es landet.

Eine rein experimentelle Erprobung neuer Flugverfahren, bei der alle denkbaren Start- und Landeverfahren geflogen und akustisch vermessen werden, verbietet sich wegen der Vielzahl der zu behandelnden Varianten aus Kosten- und Zeitgründen, und auch weil die Reproduzierbarkeit der Versuchsbedingungen bei den Flugversuchen wegen Wetteränderungen nicht in ausreichendem Maße gesichert ist. Aus diesem Grund wurde im LAnAb-Projekt ein Simulationsprogramm entwickelt, das die Schallabstrahlung eines Flugzeuges abhängig von der Fluggeschwindigkeit, der Flugzeugmasse, der Triebwerksleistung, der Klappenstellungen und Fahrwerkposition beschreibt.

Aus Überflugmessungen und Simulationsrechnungen folgen für den Luftverkehr interessante Ergebnisse. Beim Landeanflug bietet das so genannte SCDA-Anflugverfahren (Segmented Contiunous Descent Approach) gegenüber dem normalen Anflug Lärmminderungspotenziale in der Größenordnung von ein bis drei Dezibel. In größerer Entfernung vom Flughafen liegen die Pegelminderungen sogar deutlich höher. Beim SCDA-Verfahren bleibt der Anflug längere Zeit horizontal, das Flugzeug sinkt später dafür steiler nach unten.

Bei den untersuchten Abflugverfahren konnten zwar Tendenzen festgestellt werden, die Pegeldifferenzen liegen allerdings nur in der Größenordnung von etwa 1 Dezibel. Bei größeren Flugzeugmustern sind möglicherweise deutlichere Lärmminderungspotenziale zu erwarten, dafür sind aber noch zusätzliche Messungen oder Simulationsrechnungen notwendig.
Die für die Entwicklung leiserer Flugverfahren angewandte Methodik - Quellenmodellierung, Erstellung eines empirischen Simulationsprogramms, rechnerische Simulation unterschiedlicher Flugverfahren und Auswahl leiserer Verfahren - führt also zu belastbaren Ergebnissen und kann bei entsprechender Quellmodellierung auch auf andere Flugzeugmuster angewandt werden. In einer weiteren Teiluntersuchung wurde nachgewiesen, dass sich die bislang durch nicht optimale Anflugverfahren beobachteten Einbußen in der Flughafenkapazität, also eine Vergrößerung der Landeintervalle, durch den Einsatz des im Rahmen von LAnAb erweiterten DLR-Advanced Flight Management System (AFMS) vermeiden lassen.

Für die experimentelle Erfassung und anschließende Modellierung der Schallquellen wurden im Juni 2004 am Flughafen Schwerin-Parchim Überflugmessungen mit einem Airbus A319 der Lufthansa durchgeführt. Mehr als 120 Überflüge mit unterschiedlichen Einstellungen der Triebwerke, Klappen und Fahrwerke dienten dazu, die verschiedenen Geräuschquellen besser separieren zu können. Außerdem wurden die abgestrahlten Geräusche am Boden mit Hilfe von Mikrofonarrays, so genannten akustischen Kameras, und Einzelmikrofonen analysiert, um die einzelnen Quellen am Flugzeug zu lokalisieren, weiter zu separieren und ihre Stärke und Abstrahlcharakteristik zu bestimmen.

Diese Informationen wurden in das Fluglärmprognosemodell SIMUL integriert, mit dem nun verschiedene An- und Abflugprozeduren im Computer simuliert wurden. Die aus verschiedenen Flugprozeduren resultierenden Fluglärmkonturen wurden berechnet, miteinander verglichen und die leisesten Verfahren herausgefiltert.

Zur Kontrolle, ob die Simulation im Rechner die akustische Realität genau genug beschreibt, wurden im Oktober 2006 in einer zweiten Überflug-Messkampagne mit demselben Airbus A319 jeweils drei neue leisere An- und Ablugverfahren im Vergleich mit Standardverfahren geflogen und akustisch vermessen. Insgesamt 25 Lärmmessstellen waren unter den An- und Abflugwegen des Flughafens Schwerin-Parchim über Entfernungen von jeweils mehr als 20 Kilometer zwischen Neustadt-Glewe und Penzlin (Mecklenburg-Vorpommern) eingerichtet.

In Simulatortests und bei den Flugversuchen wurden auch flugmedizinische Untersuchungen durchgeführt, mit denen die Arbeitsbelastungen der Piloten gemessen wurden. Dabei zeigte sich, dass beispielsweise das SCDA-Anflugverfahren grundsätzlich durchführbar und fliegbar ist. Gleichzeitig sind aber Untersuchungen zur Belastung und Akzeptanz unter realen Bedingungen notwendig, technische Entwicklungen und Erprobungen zur Pilotenunterstützung müssen vorgenommen werden.
An der Durchführung des Projektes waren beteiligt: Deutsche Flugsicherung GmbH (Langen), Deutsche Lufthansa AG (Frankfurt), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit sieben Instituten in Berlin, Braunschweig, Göttingen, Köln und Oberpfaffenhofen, EADS Innovation Works (Ottobrunn), Institut für Flugführung der TU Braunschweig und weitere Partner. Die Projektkoordination lag beim DLR-Institut für Antriebstechnik, Abteilung Triebwerksakustik in Berlin.

(Deutsches entrum für Luft- und Raumfahrt vom 09.04.2008)