Im Zusammenhang mit Ryanair und dem Flugplatz Hahn fragen wir uns:

  • Wieviele Mitarbeiter beschäftigt Ryanair bzw. Crewlink oder Workforce International am Flughafen Frankfurt-Hahn?
  • Nach welchem Recht schließen die "Hahner" Mitarbeiter von Ryanair/Crewlink/Workforce International Verträge ab, deutschen, irischen oder jeweils nach dem Recht ihres Herkunftslandes?
  • Wie viele der "Hahner" Mitarbeiter von Ryanair/Crewlink/Workforce International sind denn überhaupt Deutsche und welche Anteile entfallen auf die anderen Nationen?
  • Unterliegen die deutschen "Hahner" Mitarbeiter von Ryanair/Crewlink/Workforce International überhaupt der deutschen Einkommensteuer und der deutschen Sozialversicherung?
  • Und wie ist das mit den ausländischen "Hahner" Mitarbeiter von Ryanair/Crewlink/Workforce International. Wo zahlen die ihre Einkommensteuer und ihre Sozialversicherung?
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Billigflieger Ryanair
Gehalt gibt's nur für die Flugzeit

Der Billigflieger feiert Wachstumsrekorde durch Kampfpreise - Ver.di nennt deren Arbeitsverträge "das Schlimmste". Eine Stewardess über die Arbeitsbedingungen bei Ryanair. VON CHRISTIAN JAKOB

Michael OLeary, der Chef von Ryanair, mag es schrill. Mal fährt er in einem Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg vor den Firmensitz des Erzrivalen Easy Jet, um einen "Preiskrieg" einzuläuten, mal lässt er der belgischen Regierung öffentlich "Fuck off" ausrichten, weil diese zu viel gezahlte Subventionen zurückverlangt. Auch bei der Suche nach neuen Angestellten nimmt er den Mund voll: "Live the high life" wirbt OLeary bei Jobsuchenden für eine Karriere bei Ryanair.


RYANAIR


Ryanair ist eine irische Billigfluggesellschaft mit Sitz in Dublin. Sie wurde 1985 gegründet und wird seit 1993 von Michael OLeary geführt. Ryanair unterhält 137 eigene Flugzeuge und fliegt 132 Ziele an. Im Jahr 2006 beförderte Ryanair 42,5 Millionen Passagiere, erwirtschaftete einen Umsatz von 2,2 Milliarden Euro und einen Gewinn von 401 Millionen Euro nach Steuern - das ist ein Zuwachs von 33 Prozent. Offiziell hat Ryanair 4.800 Mitarbeiter. Gewerkschafter vermuten, dass mindestens noch mal so viele Mitarbeiter bei anderen Firmen angestellt sind.

Dass sich dieses "high life" zumeist in den Tiefen der prekären Erwerbsarbeit abspielt, vermuten Gewerkschafter schon lange. Nun wandte sich erstmals eine deutsche Ryanair-Flugbegleiterin an Ver.di und berichtete über ihre Arbeitsbedingungen. "Der Arbeitsvertrag, den die Kollegin mitgebracht hat, ist so ziemlich das Schlimmste, das ich je gesehen habe", sagt Ver.di-Transportexpertin Nina Lepper.

Diese "Kollegin" soll hier Franziska Meine heißen. Denn ihren richtigen Namen mag sie nicht nennen, ihr Arbeitsvertrag verbietet es ausdrücklich, Firmeninterna weiterzugeben. Die junge Frau hatte sich eine Zeit lang mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Anfang dieses Jahres ging sie zu einer Art Casting, bei dem sich Ryanair und die Bewerber kennen lernen sollten. Etwas Smalltalk, ein kurzer Englischtest, alles lief glatt. Schon am nächsten Tag teilte ihr der für Ryanair tätige Personaldienstleister Crewlink per E-Mail mit, dass sie zur Teilnahme an einer Mitarbeiterschulung angenommen sei. Verbunden war die Nachricht mit der Aufforderung, 400 Pfund (600 Euro), als Anzahlung für Schulungsmaterialien an Crewlink zu zahlen.

Wer bei Ryanair arbeiten will, muss Geld mitbringen. Umgerechnet 1.960 Euro kostete Meine die fünfwöchige Schulung. Eine Vergütung erhielt sie für diese Zeit nicht. Wer durch die Abschlussprüfung fiel und nicht eingestellt wurde, bekam von der Anzahlung nichts zurück, berichtet Meine. Den anderen wurde der Restbetrag in monatlichen Raten vom Gehalt abgezogen. Hinzu kamen 360 Euro für die Uniform und die Kosten für den Sicherheitsausweis am Flughafen. An ihrem ersten Arbeitstag stand Meine mit über 2.300 Euro bei Crewlink in der Kreide. Dalmac, ein anderer Ryanair-Ausbilder, verlangt sogar 3.150 Euro für die Schulung.

Branchenüblich sind solche Gebühren nicht. Die internationale Transportarbeitergewerkschaft ITF untersuchte 13 europäische Billigfluggesellschaften, acht von ihnen zahlen eine Aufwandsentschädigung für die Eingangsschulung; kassiert wird nur bei Ryanair. Geld für die Uniform verlangen nur vier dieser Fluggesellschaften. Ryanair-Personalchef Eddie Wilson verteidigt gegenüber der taz die Ausbildungspraxis: "Wer auf die Universität geht, zahlt dafür schließlich auch." Die Ausgabe sei eine "lohnende Investition in die eigene Zukunft".

Ryanair stellt Neulingen einen Einstiegslohn von umgerechnet 1.540 Euro nach Steuern in Aussicht. Meine bekam für einen Monat Vollzeitarbeit inklusive Bordverkaufsprovision 1.100 Euro - vor den Abzügen für Schulung und Uniform. Dafür war sie an über zwanzig Tagen zwischen acht und elf Stunden unterwegs. "Als die erste Abrechnung kam, war ich erstaunt", sagt sie. "12,15 Euro waren als Stundenlohn vereinbart. Ich hätte also viel mehr bekommen müssen." Nach mehrmaliger Nachfrage bekam sie zu hören, dass der überwiesene Betrag korrekt sei. Die im Vertrag als Vergütungsgrundlage genannte "planmäßige fettstunde" seien die reinen Flugminuten. Meine war empört. "Ich musste immer eine Dreiviertelstunde vor Abflug am Flughafen sein und während der Turnaround-Zeiten mussten wir auch arbeiten."

Personalchef Wilson streitet das ab. Die "planmäßige fettstunde" sei eine "theoretische Größe", die als "Mechanismus" zur Ermittlung des tatsächlichen Arbeitsaufwands diene. Auch Briefing- und Turnaround-Zeiten seien darin enthalten. Für Meine ist das unverständlich: "Bei meinen Auszahlungen ist ganz offensichtlich nicht die gesamte Arbeitszeit zugrunde gelegt worden." Zudem habe sie unentgeltlich mehrmals im Monat zu Hause in Rufbereitschaft bleiben müssen. Für die ebenfalls anfallenden "Airport-Standbys", bei denen sie acht Stunden in Uniform am Flughafen sein musste, erhielt sie pauschal 30 Euro.

Neues Kabinenpersonal wird bei Ryanair seit einigen Jahren nicht mehr direkt von der Airline, sondern, wie Meine, von irischen Personaldienstleistern wie Crewlink oder Workforce International angestellt. Wer auf der Internetseite von Ryanair die Jobangebote anklickt, wird zu diesen Dienstleistern weitergeleitet. In welchem Verhältnis sie zu Ryanair stehen, konnte eine Sprecherin der Fluggesellschaft der taz nicht beantworten. Die ITF schätzt, dass bei Ryanair weniger als die Hälfte aller Flugbegleiterinnen und -begleiter als Stammpersonal unter erheblich besseren Konditionen arbeitet.

Nach dem ersten Beschäftigungsjahr sei eine Übernahme in das Stammpersonal möglich, wirbt Ryanair. Eine Garantie gibt es aber nicht. Der Personalchef Wilson lobt dennoch die Aufstiegschancen: "Bei unserem Expansionstempo entstehen ständig neue promotional positions."

Auf die Frage, was passiert, wenn ein Mitarbeiter erkrankt, hat Wilson eine schnelle Antwort. "Was soll schon passieren? Man geht zum Arzt, nehme ich an." Die Ver.di-Sekretärin Lepper nennt dies "eine Unverfrorenheit". Ihr sei der Fall eines Flugbegleiters von Ryanair bekannt, der krank geworden sei und wochenlang nicht habe arbeiten können. "Der Mann hat für diese Zeit nicht nur nie einen Cent gesehen, er ist sogar während seiner Krankheit entlassen worden." In Meines Arbeitsvertrag, der ein irischer ist, ist die Sache eindeutig geregelt: "There are no Company provisions for sick pay" heißt es da. Auf Deutsch: Das Unternehmen zahlt kein Krankengeld. Nach ihrer Einstellung musste Meine über sechs Wochen nach einer Krankenversicherung fragen, bis man sie ein Formular ausfüllen ließ. "Später habe ich von Kollegen erfahren, dass das nur eine Unfallversicherung war", sagt sie. Auch in diesem Zusammenhang verweist Ryanair auf die Konditionen für das Stammpersonal. Denen sei die Lohnfortzahlung garantiert.

Wer sich von der Arbeit bei Ryanair erholen will, muss sich beeilen. Ganze 20 Tage Urlaub gewährt Crewlink. Gezahlt wird pro Urlaubstag nur Lohn für fünf Arbeitsstunden. In Deutschland sind 24 Urlaubstage das gesetzliche Minimum. Beim Billigkonkurrent Easy Jet haben die Angestellten 36 Tage im Jahr frei, bei TuiFly sogar 42 Tage.


Irisches Arbeitsrecht


Die Verpflegung für die Flugbegleiter ist bei den übrigen Billigfliegern Standard. Anders bei Ryanair. Wer unterwegs Hunger bekommt, kann sich beim Bordsortiment bedienen - und zahlt dafür denselben Preis, der auch den Passagieren berechnet wird. Gleiches gilt, wenn bei der Abrechnung am Ende eines Fluges Ware fehlt. "Ich kenne keine andere Airline, die das so macht. Die horrenden Bordpreise zu berechnen, ist eine Frechheit", sagt die Gewerkschafterin Lepper.

Meine hatte bald die Nase voll. Doch einfach zu kündigen, ging nicht mehr. Außer den Kosten für die Ausbildung und die Uniform hätte sie Crewlink einige "Sonderzulagen" erstatten müssen. In den ersten sechs Beschäftigungsmonaten zahlt Crewlink 1.200 Euro als Bonus. Doch von jedem, der innerhalb eines Jahres kündigt, wird die Summe zurückverlangt. "Vor allem die osteuropäischen Beschäftigten überlegen es sich dreimal, ob sie angesichts solcher Schulden vorzeitig kündigt", sagt Lepper.

Der Gerichtsstand von Meines Arbeitsvertrag ist der Sitz von Crewlink in Dublin. Mit dem irischen Arbeitsrecht dürften sich die Klauseln vereinbaren lassen. Dennoch glaubt Nina Lepper, dass die Crewlink-Bedingungen hierzulande unwirksam sind. "Es gibt im deutschen Arbeitnehmerrecht Essentials, auf die man nicht verzichten kann, egal, wo der Firmensitz liegt", sagt Lepper. "Wenn es jemanden gäbe, der in Deutschland gegen Crewlink klagen würde, hätte er sicherlich Erfolg. Allerdings dürfte die Klage Jahre dauern", sagt der Londoner ITF-Sprecher Ingo Marowksy.

In Rom und London habe er Ryanair-Flugbegleiter besucht, die zu dritt in Einzimmerwohnungen leben, weil sie sich nichts anderes leisten können. "Wer das Wort 'Gewerkschaft' in den Mund nimmt, der hat ein Problem." Drei italienische Angestellte von Ryanair, die auf einer Betriebsversammlung zu gewerkschaftlicher Organisierung aufriefen, seien nach Marseille versetzt worden. Als sie sich widersetzten, sei ihnen gekündigt worden. Ähnlich sei es einer Flugbegleiterin aus London ergangen, die Flugblätter der Gewerkschaft verteilt habe.

Personalchef Eddie Wilson bestreitet das. "Natürlich haben unsere Beschäftigten das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und zu streiken. Das Streikrecht ist in Irland schließlich verfassungsmäßig geschützt." Die Crewlink-Arbeitsverträge sagen etwas anderes. Arbeitskämpfe, Streiks und sogar "Dienst nach Vorschrift" sind explizit als Kündigungsgrund aufgeführt. Dabei schätzt Wilson die Streikneigung seiner Angestellten gering ein. "Bei uns gilt eine Betriebsvereinbarung, die in geheimer Abstimmung von den Beschäftigten angenommen wurde", sagt er. Diese sehe bis zum Jahr 2011 erhebliche Einkommenszuwächse für die Angestellten vor. "Billigtickets heißt nicht Billiglohn."

Dem letzten Geschäftsbericht zufolge will das Unternehmen seinen Angestellten 2006 im Durchschnitt 49.612 Euro gezahlt haben. Jene Mitarbeiter, die bei Crewlink oder Workforce angestellt sind, tauchen in dieser Rechnung nicht auf. Doch das ficht Wilson nicht an. "Andere Airlines arbeiten auch mit Personalfirmen zusammen, die zu anderen Bedingungen einstellen."

Dass ein Billigflieger anders zahlt als eine Liniengesellschaft, findet der Gewerkschaftssprecher Marowsky "in Ordnung". Dennoch lasse sich das Low-Cost-Modell mit vernünftigen Arbeitsbedingungen vereinbaren. Die Kosten der Billig-Airlines seien im Schnitt ein Drittel niedriger als die von Liniengesellschaften, aber nur sechs Prozent dieses Vorteils werde aus Personaleinsparungen bestritten. "Wir fordern Arbeitsbedingungen, die berechenbar sind und im Industriestandard liegen. Easy Jet hat einen ordentlichen Tarifvertrag, Air Berlin jetzt auch. Man muss nicht beim Personal sparen."

(TAZ vom 02.10.2007)