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Klimakiller über den Wolken
Warum der Flugverkehr die Atmosphäre belastet und Fernreisen in Zukunft teurer werden

Jörg Michel

BERLIN. Wenn es um den Klimaschutz geht, wollen die Deutschen nicht nur reden sondern selbst handeln: Immerhin 92 Prozent der Bürger sind zu klimaschonendem Verhalten bereit. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Umfrage von Infratest Dimap für die ARD-Tagesthemen. Danach wollen 88 Prozent der Deutschen wegen des Klimawandels zukünftig mehr Strom und Heizenergie sparen. 80 Prozent denken über die Nutzung eines verbrauchsarmen Wagens nach. Sogar bei Urlaubsreisen sehen sich die Bürger in der Pflicht: Mehr als die Hälfte der Befragten ist demnach bereit, weniger mit dem Flugzeug zu verreisen.

Letzterer Befund überrascht. Denn bislang war die Privatreise so etwas wie das letzte Tabu, wenn es um den persönlichen Beitrag des Einzelnen zum Umweltschutz geht. Doch das scheint sich zu ändern. "Der Klimawandel wirkt sich langsam auf das Verhalten der Reisenden aus", sagt der Tourismus-Experte des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Manfred Stock. Ob Hitze, Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürme: Viele Reisende hätten die Folgen der globalen Erderwärmung während ihres Urlaubes schon selbst erlebt. "Wer will schon im Sommer in Südeuropa bei fünfzig Grad Celsius unter der Sonne brüten?" Da sei es kein Zufall, dass auch der Urlaub in heimischen Landen immer beliebter wird. "Die Reisebranche steht vor dem Hintergrund des Klimawandels vor einem Umbruch. Fernreisen werden tendenziell teurer. Urlaub im eigenen Land billiger", prognostiziert Stock. Denn Reisende als Verursacher des Klimawandels würden zukünftig stärker zur Kasse gebeten. Etwa durch höhere Landegebühren oder Abgaben auf Flugtickets.

Der Flugverkehr gehört zu den am schnellsten wachsenden Quellen für klimaschädliche Treibhausgase. Nach Berechnungen der Umweltorganisation Germanwatch sind die Jets mittlerweile für bis zu zehn Prozent des vom Menschen verursachten Treibhauseffektes verantwortlich. Vorsichtigere Schätzungen gehen von bis zu vier Prozent aus. "Das Flugzeug ist das klimaschädlichste Fortbewegungsmittel", sagt Germanwatch-Experte Sven Harmeling. Dies liege vor allem an den steigenden Passagierzahlen. Nach Berechnungen des UN-Weltklimarates IPCC ist der Flugverkehr zuletzt um zehn Prozent im Jahr gewachsen. Deswegen sei bis 2015 mit einer Verdoppelung der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr gegenüber 1990 zu rechnen, bis 2050 mit einer Verdreifachung.

"Die Klimabilanz von Flugzeugen fällt im Vergleich zur Bahn eindeutig negativ aus", sagt auch Martin Ittershagen vom Umweltbundesamt. Bezogen auf einen Reisekilometer ist ein Urlauber im Jet im Schnitt für dreimal so viel Kohlendioxid verantwortlich wie etwa ein Passagier im Fernverkehr der Bahn, hat die Behörde errechnet. Im Vergleich zum Busreisenden ist es immerhin noch doppelt so viel.

Dabei enthalten die Flugzeug-Abgase nicht nur den Klimakiller CO2. Die Turbinen stoßen zusätzlich Stickoxide, Wasserdampf sowie Sulfat- und Rußpartikel aus. Am oberen Rand der Atmosphäre entstehen so die bekannten Kondensstreifen und die Cirrus-Wolken. Das Max-Planck-Institut für Meteorologie hat errechnet, dass die weitere Zunahme von Cirrus-Wolken den Treibhauseffekt noch einmal um bis zu zehn Prozent verstärken könnte.

Verschärfend kommt hinzu, dass der Himmel über weiten Teilen Europas, Asiens und Nordamerikas chronisch verstopft ist: Würden die ständigen Warteschleifen in der Luft beseitigt, könnte der Schadstoff-Ausstoß nach Prognosen der Fluggesellschaften auf einen Schlag um zwölf Prozent gesenkt werden. Allein die Lufthansa verbrennt derzeit in Warteschleifen so viel Kerosin, wie elf Maschinen von Frankfurt nach New York benötigen.

(Berliner Zeitung vom 05.03.2007)