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Flughafen Parchim hat ehrgeizige Wachstumspläne

Parchim – Der Flughafen Parchim im Herzen Mecklenburg-Vorpommerns ist unübersehbar ausgeschildert. Wer ihn ansteuert, landet allerdings in der Ödnis. Das gigantische Flugfeld ist das Relikt einer ehemaligen sowjetischen Militärbasis. Großzügig angelegte, aber unfertige Zuwegungen sowie sämtliche Einrichtungen, die für einen dauerhaften Flugbetrieb nötig sind, lassen die Erwartungen, die mit dem Projekt verbunden sind, erahnen. Doch ein fehlgeschlagener Privatisierungsversuch mit einem inzwischen insolventen britischen Investor haben es vier Jahre auf Eis liegen lassen.

Jetzt ist der Landkreis Parchim alleiniger Gesellschafter der Baltic Airport GmbH und in dieser Eigenschaft ihr aktivster Akquisiteur. Seit Oktober ist ein 1,5 Millionen Euro teures, allen Anforderungen entsprechendes Terminal mit sechs Lkw-Andockrampen in Betrieb. 17 feste Arbeitsplätze sind mit ihm verbunden, und die ersten 1000 Tonnen Fracht, das Ergebnis von 40 Landungen meist aus Asien und den Golf-Staaten, sind bereits abgefertigt worden. Parchim befindet sich auf dem Weg zu Deutschlands erstem und wahrscheinlich auf längere Sicht einzigem reinen Frachtflughafen.

Die Zeichen dafür stehen gut. Hamburg-Fuhlsbüttel platzt aus allen Nähten. Der Ersatz der drei Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld durch den Großflughafen Berlin-Brandenburg ist zwar beschlossen, dürfte aber noch manches Jahr auf sich warten lassen.

Parchim seinerseits liegt auf halbem Weg zwischen den beiden norddeutschen Metropolen unmittelbar an der Autobahn 24 und kann mit einem einzigartigen Pfund wuchern: Der Flugbetrieb ist rund um die Uhr an allen sieben Tagen der Woche ohne jede Einschränkung genehmigt; je nach Ausbaustufe sind bis zu 180000 Starts und Landungen möglich.

Das bedeutet: Ankommende wie abgehende Flüge können exakt so gesteuert werden, dass, wenn die Fracht auf die direkt am Terminal wartenden Lastzüge umgeladen ist, die Autobahnen leer sind. Hamburg ist gerade 100, Berlin keine 200 Kilometer entfernt. Und wenn die von der Schweriner Landesregierung mit Nachdruck verfolgte A14 Richtung Magdeburg fertig ist, ist auch die durchgängige Anbindung nach Süden gesichert.

Außerdem grenzen 680000 Quadratmeter voll erschlossene Gewerbeflächen direkt an die Start- und Landebahn, davon 180000 mit der für Logistiker besonders interessanten Vorfeldanbindung.

"Manchmal wundere ich mich", sagte Parchims Landrat Klaus-Jürgen Iredi im Gespräch mit dieser Zeitung, "dass Hamburg uns noch nicht als dritte Landebahn entdeckt hat." Man kenne sich und grüße sich, wenn man sich treffe, aber mehr sei noch nicht passiert. Dabei ist überall in der Branche bekannt, dass Hamburg mit seinem Frachtaufkommen irgendwann irgendwohin ausweichen muss.

Stiefkind im Kampf um Start- und Landezeiten ist überall die Fracht. Weil die Passagierverbindungen lukrativer sind, muss sie ständig hinter diesen zurückstecken. Außerdem regiert in Hamburg ein strenges Nachtflugverbot. Auch aus Platzmangel bei den Terminals dürfte deshalb die Logistik in absehbarer Zeit ins Fuhlsbütteler "Hinterland" verlagert werden – wie es bislang aussieht nach Norderstedt.

Ohnehin, hat ein Gutachten des Marktforschungsunternehmens Uni Consult im Auftrag der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein ergeben, kann die Hansestadt wegen ihrer Engpasssituation ihr eigentliches Potenzial beim Frachtumschlag nicht, wie es wünschenswert wäre, ausreizen.

Bislang hat Parchim ausschließlich Frachtflüge in Charter auf sich ziehen können. "Wir stehen aber zur Zeit in aussichtsreichen Verhandlungen über Linienverbindungen", sagt Iredi. Im kommenden Frühjahr, ist er sich sicher, werden die Entscheidungen fallen: "Positiv." Dann sei der Zeitpunkt gekommen, um die Perspektiven Parchims klar in Mengen und Werten zu definieren. Unabhängig davon hofft der Landrat nach wie vor auf eine partnerschaftliche Kooperation mit Hamburg.

Dass andere Flughafenbetreiber auf Parchim zukommen, schließt er naturgemäß nicht aus. Denn die Nutzungsmöglichkeiten, die Parchim bietet, sind deutschlandweit wohl einmalig.

Von Wolfgang Buhmann

(Kieler Nachrichten vom 20.12.2006)

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