Voreiliger, untertänigster Behördengehorsam?
"Trotzdem weiß der Bernkastel-Wittlicher Sprecher Alfons Kuhnen bereits, was als Ursache der festgestellten Naphthalin-Konzentration auszuschließen sei – "dass die Kontamination von teerhaltigem Straßenaufbruch herrührt"."

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"Wasser stopp!"

ENKIRCH. "Wasser stopp!" an der Mosel: Weil das Trinkwasser der Weinbaugemeinde Enkirch möglicherweise belastet ist, hat die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich den örtlichen Brunnen dicht gemacht. "Rein vorsorglich", wie es heißt. Tanklastzüge sorgen nun dafür, dass aus den Enkircher Hähnen weiter Wasser kommt.

Von unserem Redakteur ROLF SEYDEWITZ

Die eilige Nachricht flatterte den 1800 Einwohnern der Moselgemeinde Enkirch (Verbandsgemeinde Traben-Trarbach) am Mittwoch per Flugblatt ins Haus. Unter der harmlos klingenden Überschrift "Änderung der Wasserversorgung" unterrichtete VG-Bürgermeister Ulrich Weisgerber die Bürger Enkirchs über eine am Vortag getroffene Entscheidung der Kreisverwaltung: Quelle und Brunnen im "Ahringstal" würden "mit sofortiger Wirkung prophylaktisch und vorläufig außer Betrieb genommen". Das Auffallende an dem Schreiben: Über den Hintergrund der ungewöhnlichen Maßnahme verliert VG-Chef Weisgerber kein Wort. Und auch Alfons Kuhnen, Sprecher der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, flüchtet sich auf TV-Anfrage zunächst ins Behördenchinesisch: "Bei einer Wasserprobe wurden Werte nachgewiesen, die zu den prophylaktischen Maßnahmen geführt haben." Erst auf erneutes Nachfragen lässt der Behörden-Sprecher die Katze aus dem Sack: Der Stoff, der bei Messungen im Ahringsbach festgestellt wurde, ist Naphthalin. Der Kohlenwasserstoff wird aus Steinkohlenteer oder aus Kohle gewonnen, wenn diese verkokt wird, und wird etwa bei der Herstellung von Lösemitteln und Kraftstoffzusätzen verwendet. Naphthalin ist umweltgefährdend und gilt als Krebs erregend.

Entscheidend ist allerdings die Dosis. Laut Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich liegen die im Ahringsbach (aus dem Enkirch teilweise sein Trinkwasser bezieht) bislang festgestellten Naphthalin-Werte bei 20 bis 47 Nanogramm pro Liter, also 20 bis 47 Milliardstel Gramm. "Gesundheitlich unbedenklich", habe auch das Bundesumweltamt am Dienstag bestätigt. Der Grenzwert für so genannte Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) im Trinkwasser liege bei 100 Nanogramm.


Täglich zehn Tankwagen Wasser


Warum wurde der Enkircher Brunnen dann aber überhaupt dicht gemacht? "Rein vorsorglich", sagt Behördensprecher Kuhnen. Noch seien diverse Nachproben nicht ausgewertet, und angesichts einer möglichen Gefährdung gehe der Verbraucherschutz vor. Frühestens am morgigen Freitag, wenn weitere Untersuchungsergebnisse vorliegen, will die Kreisverwaltung entscheiden, wie es weitergeht.

Bis dahin werden die 1800 Enkircher und mehrere hundert Touristen mit Wasser aus dem benachbarten Traben-Trarbach versorgt. Tanklastzüge mit einem Fassungsvermögen von knapp 30 000 Litern transportieren das kostbare Nass nach Enkirch, wo es in den Hochbehälter (Fassungsvermögen 500 000 Liter) gepumpt wird. Bei geschätzt rund 300 000 Litern täglich, die in der beschaulichen Moselgemeinde verbraucht werden, sind das zehn Lastwagen-Ladungen am Tag. Für die Bürger ändert sich nichts. Über den Hochbehälter wird das Trinkwasser – wie bislang auch – ins örtliche Wassernetz eingespeist.

Trotzdem ist Ortsbürgermeister Karl-Heinz Weisgerber wenig begeistert. "Eine unangenehme Geschichte", sagt er, "das muss geklärt werden". Was Weisgerber gerne geklärt haben möchte, ist die Ursache des Problems, so es denn überhaupt eine Belastung des Enkircher Trinkwassers gibt. Denn das steht, wie gesagt, ja offiziell noch gar nicht fest. Trotzdem weiß der Bernkastel-Wittlicher Sprecher Alfons Kuhnen bereits, was als Ursache der festgestellten Naphthalin-Konzentration auszuschließen sei – "dass die Kontamination von teerhaltigem Straßenaufbruch herrührt".

Und damit möglicherweise vom einige Kilometer oberhalb Enkirchs gelegenen Flughafen Hahn stammt. Der hatte unlängst für Schlagzeilen gesorgt, weil ein Teergemisch mit Krebs erregenden Kohlenwasserstoffen (PAK) in einen neuen Wirtschaftsweg parallel zur Landebahn eingebaut worden war (TV vom 2. August). In der Nähe entspringt der Waschbach, der erst in den Steierbach und dann in den Ahringsbach mündet – jenen Bach, aus dem Enkirch einen Teil seines Trinkwassers bezieht. "Wasser fließt nicht von unten nach oben", sagt Traben-Trarbachs VG-Bürgermeister Ulrich Weisgerber. Wenn es denn eine Verunreinigung des Trinkwassers gebe, müsse die Ursache jedenfalls oberhalb des Enkircher Brunnens liegen.

(Trierischer Volksfreund vom 07.09.2005)