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Billigflieger erobern die Luftfracht

Spediteure bedienen sich zunehmend so genannter Seriencharter

von Heiner Siegmund

Hamburg - Nach dem Erfolg der Billigflieger auf dem Passagiersektor erobern die Low-Cost-Carrier auch die Frachtfliegerei. So wird in Europa und speziell in Deutschland immer mehr Luftfracht durch so genannte Seriencharter an Bord von zumeist alten Frachtflugzeugen und zu vergleichsweise niedrigen Preisen transportiert.

Ein Beispiel ist die von der russischen Aeroflot zwei Mal wöchentlich mit betagten DC-10-Frachtern bediente Route zwischen Frankfurt-Hahn und Tokio. Sie wird im Auftrag der zur Deutschen Bahn gehörenden Stinnes-Tochter Schenker geflogen. Der Logistiker hat die Zusammenarbeit mit der russischen Linie Richtung Fernost intensiviert. Insgesamt verlädt Schenker pro Monat rund 2400 Tonnen auf Seriencharter, was etwa 4,5 Prozent des vom Transporteur bewegten globalen Aufkommens entspricht. Deutlich mehr, nämlich monatlich rund 9000 Tonnen und damit knapp acht Prozent ihrer jährlich generierten Gesamtmenge, lässt die ASB (Air Sea Brokers), eine Tochter der schweizerischen Großspedition Panalpina, per Seriencharter transportieren. Auf herkömmlichen Frachtflügen werden in der Regel Waren von verschiedenen Spediteuren transportiert.

In Deutschland, schätzen Branchenkenner, liegt der Anteil der auf diese Weise geflogenen Güter mittlerweile zwischen 15 und 20 Prozent aller Luftfrachtsendungen. Angesichts der Überkapazitäten an Frachtraum und der niedrigen Umsatzrenditen der Branche von durchschnittlich weniger als einem Prozent sind die in den Markt drängenden Billiganbieter wie die US-Gesellschaft Kalitta Air, die MK Airlines oder Aeroflot eine zunehmende Bedrohung für etablierte Frachtflieger wie KLM, Lufthansa Cargo, Air France Cargo oder Cargolux. "Es sind ernst zu nehmende Wettbewerber, die für zusätzlichen Ratendruck speziell auf unserem europäischen Heimatmarkt sorgen", beschreibt Lufthansa-Cargo-Sprecher Nils Haupt die Situation. So liegt der übliche Charterpreis für den Komplettumlauf eines Großfrachters wie der Boeing 747 - etwa zwischen Deutschland und Fernost - zwischen 300 000 und 350 000 Euro, während einige Billiganbieter die gleiche Strecke für rund 200 000 Euro anbieten. Der Preisunterschied resultiert laut Otto Meyer, Deutschland-Frachtchef bei Air France Cargo, unter anderem aus den geringeren Personalkosten. Bei einigen Anbietern seien die Piloten "froh, wenn sie am Ende des Monats überhaupt Geld kriegen".

Hinzu kommen steuerliche Vorteile sowie zusätzliche Streckenrechte durch die Ausflaggung von Flugzeugen. So hat die in England ansässige MK Airlines ihre gesamte, aus mehr als 20 Jahre alten Frachtflugzeugen bestehende Flotte im westafrikanischen Ghana registrieren lassen. Vornehmlich wegen ihrer Niedrigpreise ist MK der bevorzugte Frachtflieger von Panalpina-Tochter ASB, die damit im Vergleich zu ihren Wettbewerbern höhere Margen erwirtschaftet.

Neben ASB setzen auch Konkurrenten wie Schenker oder Kühne & Nagel auf solche Konzepte. Mit der Folge, dass sie ihr Cargoaufkommen auf wenige Flughäfen konzentrieren. Branchenexperten wie Geschäftsführer Dirk Steiger von der Frankfurter Datenerhebungs- und Beratungsgesellschaft Aviainform sehen dadurch den Trend hin zu billigen Linienchartern in der Frachtfliegerei deutlich verstärkt. Diese Charterketten würden mittelfristig "zu Lasten kleinerer Flughäfen und traditioneller Luftfrachtunternehmen gehen", lautet seine Prognose.

(Welt vom 09.06.2004)