Besonders interessant die Aussagen zum Flugplatz Hahn und zu Ryanair
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Billig ist nicht schlecht: Köln/Bonn mischt auf.

Der Flughafen Köln/Bonn ist längst zum Hub der Low-Cost-Flieger geworden. Auf den Langstrecken haben Billigflieger nur eine Chance, wenn sie genügend Zubringer finden. Die hat die LTU in DUS kaum.

Als der Ex-Lufthanseat Michael Garvens vor zweieinhalb Jahren Chef des Flughafens Köln/Bonn wurde, fand er dort einen Sanierungsfall vor. Köln/Bonn, das war ein verschlafener Provinzflughafen mit einer Menge Schulden. Heute redet jeder von Köln/Bonn als dem größten kontinentaleuropäischen Hub von Low-Cost-Fliegern, dessen Wachstum programmiert ist. Und: Der Flughafen schreibt erstmals ein ausgeglichenes Ergebnis. Wäre nicht die Rate von sechs Millionen Euro als außerordentliche Aufwendung für den Bau des ICE-Bahnhofs fällig gewesen, Garvens hätte die ersten schwarzen Zahlen in Millionenhöhe vorgelegt.

Dabei sah anfangs alles so hoffnungslos aus. Die Flughafenverantwortlichen hatten weit über 600 Millionen Euro in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Gleichzeitig ging im Zeitraum von 2000 bis 2002 die Zahl der Passagiere um 20 Prozent zurück. Kapitalkosten, Abschreibungen und Zinsen drückten gewaltig auf die Bilanz. Um aus den roten Zahlen zu kommen, so die Erkenntnis des neuen Verantwortlichen, half kein noch so rigides Sparkonzept – es wäre zu wenig gewesen. Die Lösung konnte nur lauten: Eine neue vertriebliche Ausrichtung muss her. Neues Geschäft muss akquiriert werden. Die besondere Problematik von Köln/Bonn ist von jeher, dass der Flughafen sich sein Einzugsgebiet mit Düsseldorf teilen muss. Der Düsseldorfer Airport profitiert dabei von seinen "Grandfather-Rights". Die enge Slot-Situation hat zur Folge, dass bei einem schrumpfenden Markt die Airlines in Düsseldorf konsolidieren, um nur ja nicht ihre Slots zu verlieren. Wer dagegen in Köln/Bonn einen Slot zurückgab, der konnte sicher sein, diesen aufgrund des geringen Geschäftsvolumens auch später wieder zurückzubekommen. In Köln war man halt froh über jeden Kunden.

In dieser Situation kam Garvens das ansteigende Geschäft der Low-Cost-Carrier gerade recht. Gleich mehrere in Auftrag gegebene Marktuntersuchungen zum Thema "Low Cost" machten Garvens Mut, auf das neue Geschäftsmodell zu setzen, zumal er damit nicht durch andere Flughäfen, speziell nicht durch Düsseldorf, kopiert werden konnte. Roland Berger schrieb in einem Gutachten: "Köln/Bonn ist hervorragend geeignet, der deutsche Hub der Low-Cost-Carrier zu werden."

Gutachten machten Mut. Nachdem sich Germanwings und Hapag-Lloyd Express für Köln/Bonn als Hub entschieden hatten, boomten die Passagierzahlen. Zählte man im Jahre 2002 ohne Low-Cost-Effekt nur 5,3 Millionen Fluggäste, so werden es 2004 mit den Billigfliegern 8,5 Millionen Passagiere sein. Die weitere Planung sieht vor, dass im Jahr 2006 die Zehn-Millionen-Passagier-Grenze überschritten wird. Damit hätte Garvens dann das Passagiervolumen innerhalb von vier Jahren nahezu verdoppelt.

Mit dem Ausbau Köln/Bonns zu einem kontinentaleuropäischen Hub für Low-Cost-Flieger ist das ehemalige Mekka der Billigfliegerei, der im Hunsrück gelegene Flughafen Hahn, in Bedrängnis geraten, zusammen mit seinem Hauptkunden Ryanair. Zwar hat der Flughafen Hahn noch Passagierzuwächse, die aber wesentlich auf die Kapazitätsaufstockung der Ryanair zurückzuführen sind. Problematisch für Hahn ist indes, dass angesichts der Wettbewerbssituation das Wachstum sehr zu Lasten des Yields geht. Darunter leidet ganz besonders die Ryanair. Erreichte diese in Hahn in früheren Zeiten einen Durchschnittsyield für den One Way von rund 75 Euro, so sind es aufgrund interner Zahlen derzeit rund 35 Euro. Experten bezweifeln, dass selbst die Ryanair mit ihren niedrigen Stückkosten mit einem Yield von 35 Euro wirtschaftlich positive Ergebnisse erzielen kann. Die Frage, die man sich angesichts solcher Entwicklung in Hahn und bei der Frankfurter Muttergesellschaft, der Fraport AG, stellen muss, lautet schlicht: Was bringt es, ständig neue Passagiere zu akquirieren, wenn unter dem Strich nichts in der Kasse bleibt? Denn mit 4,35 Euro pro Passagier wird es Hahn schwer haben, das selbstgesteckte Ziel, 2006 in die schwarzen Zahlen zu kommen, zu erreichen.

In der Bundesrepublik verliert die Ryanair insgesamt Marktanteile. Die Märkte regionalisieren sich. Wer in Nordrhein-Westfalen lebt, der braucht nicht mehr in den Hunsrück zu fahren, um billig fliegen zu können. Da der Flughafen Hahn seine Billigflieger trotzdem großzügig unterstützt, ist es kein Wunder, dass die Flughafengesellschaft noch nicht einmal einen positiven Deckungsbeitrag 1 (DB1) in ihrer Bilanz ausweisen kann. Je mehr Passagiere also in Hahn abgefertigt werden, umso stärker steigen die Verluste an. Dies mit der Folge, dass die Mutter Fraport ihre Tochter jährlich mit rund zehn Millionen Euro quersubventionieren muss.

Garvens hat dagegen unter Beweis gestellt, dass man Low-Cost-Carriern nicht unbedingt die Lande- und Start-Gebühren erlassen muss, damit diese Gewinne erzielen. Natürlich gewährt auch Garvens Werbekostenzuschüsse. Doch die, so sagt er, müssten sich im wirtschaftlich vertretbaren Rahmen halten. Was Skeptiker nicht für möglich gehalten hatten: Sowohl Germanwings als auch Hapag-Lloyd Express operieren mit Auslastungsfaktoren von über 7o Prozent und erzielen einen durchschnittlichen Yield für den einfachen Flug von rund 70 Euro. Und: Sie verdienen damit Geld. Dass es bei Hapag-Lloyd Express ein Jahr länger dauerte als bei Germanwings, um in die schwarzen Zahlen zu fliegen, lag daran, daß HLX zuerst Fehler im Netzmanagement beseitigen musste.

Strategisch wichtig für den Low-Cost-Hub Köln/Bonn wäre es aber auch gewesen, so Garvens, einen der paneuropäisch aufgestellten Billigflieger in seiner Kundenliste zu haben. Seit Juni fliegt die Easyjet von Köln/Bonn aus East-Midland und Liverpool an – erfolgreich.

Easyjet hat nämlich den Vorteil, auch im Ausland einen bekannten Markennamen zu haben, während Germanwings und HLX im Inland sehr bekannt sind, im Ausland dagegen weniger. So liegt der Outgoing-Anteil bei diesen beiden Carriern bei 80 Prozent, der Incoming-Anteil dagegen nur bei 20 Prozent. Bei Easyjet hingegen liegt der Outgoing-Anteil bei 35 Prozent, der Incoming-Anteil bei 65 Prozent. Mit Easyjet und anderen ausländischen Low-Cost-Fliegern, die demnächst noch nach Köln/Bonn fliegen werden, baut Garvens also die gegenläufigen Verkehre aus. Dabei nimmt er zwangsläufig in Kauf, dass es zu Kannibalisierungseffekten kommen wird.

Unter Insidern ist bekannt, dass auch die Ryanair gerne nach Köln/Bonn gekommen wäre. Warum er sich für Easyjet und nicht Ryanair entschieden habe, darauf verweigert Garvens die Auskunft. Sibyllinisch stellt er im Nachsatz fest: "Easyjet ist ein Qualitätscarrier, der gut zu Air Berlin, Germanwings und Hapag-Lloyd Express passt." Das Marktsegment für höherwertige Carrier, so haben alle Marktuntersuchungen ergeben, ist größer. So liegt der Geschäftsreiseanteil am Köln/Bonner Flughafen derzeit schon bei 30 Prozent – Tendenz steigend. In Hahn ist er dagegen verschwindend gering. Business-Reisende aber buchen relativ kurzfristig, zahlen dadurch einen höheren Tarif und heben automatisch den Yield an. Das wiederum ist für den Flughafen wichtig. Garvens: "Wer einen guten Yield erzielt, der zahlt auch ohne Murren Entgelte."

Billigflieger sind nicht automatisch Sparbrötchen. Das beweist die Tatsache, dass schon jetzt der Anteil des Non-Aviation-Geschäftes des Airports am Umsatz bei 20 Prozent liegt. Mittelfristig soll dieser Anteil durch Mieteinnahmen und ähnliche Nebengeschäfte auf 35 Prozent erhöht werden.

Köln/Bonn als Erlebnismeile. Auch hier ist Garvens neue Wege gegangen. Köln/Bonn wird der erste Airport sein, der ausschließlich auf Markengastronomie setzt: Gosh, Kamps, Starbucks, Subway oder Burger King. Dass dieses Konzept Erfolg hat, beweisen Umsatzsprünge an einzelnen Standorten von 200 bis 300 Prozent.

Die Langstreckenpläne. Als Garvens vor einigen Monaten ankündigte, schon bald werde von Köln/Bonn aus ein Low-Cost-Carrier Langstrecke fliegen, da wurde er von vielen Airlinern belächelt. Komisch nur, dass nahezu alle großen deutschen Flughäfen bei der damals im Gespräch gewesenen US-Airline ATA vorsprachen und Werbung für ihren Airport machten. Garvens hat aus dem Verhalten seiner Kollegen Konsequenzen gezogen und hält lieber den Mund, wenn es um die Langstrecke geht. Nur eines gibt er zu Protokoll: Spätestens im Frühjahr wird ab Köln/Bonn auch ein Langstrecken-Low-Cost-Flieger starten.

Wenn die LTU nun 2005 von Düsseldorf aus nach New York mit Billigtarifen starten will, dann reagiert man darauf in Köln/Bonn mit Kopfschütteln. Zu gut erinnert man sich noch an den Besuch von LTU-Chef Jürgen Marbach und dessen Adlatus Klaus Simon, der mit viel Vorfreude bedacht worden war. Schließlich wollte Marbach mit einem Airbus 330 von Köln aus nach New York fliegen. Doch als die Airport-Verantwortlichen die Forderungen der beiden LTU-Manager hörten, blieb ihnen die Spucke weg. So verlangten die LTU-Manager, dass der Flughafen in erheblicher Weise Risiken tragen solle. Man höre und staune, selbst für das Netzmanagement sollten die Airportmanager zuständig sein, weil bei der LTU keine entsprechende Kenntnis vorhanden sei. Köln/Bonns Geschäftsführer Garvens lehnte ab, dafür sprang Düsseldorfs Rainer Schwarz in die Bresche. Im rheinischen Klüngel wird vermutet, dass Schwarz die Forderungen geschluckt habe, die man rheinaufwärts abgelehnt hatte. Schwarz selber verneint dies.

Wenn dem so wäre, dann könnte der LTU-New-York-Flug für den Düsseldorfer Flughafen ein Fass ohne Boden werden. Die von Low-Cost-Experten geschätzten Verluste belaufen sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Zu klein sei das Einzugsgebiet von Düsseldorf, heißt es. Doch noch wichtiger sei, daß Düsseldorf ein ausreichendes Zubringernetz fehle. Das hatte früher schon die Continental feststellen müssen, die trotz günstiger Offerten selbst eine Boeing 767 nicht füllen konnte. Und die ist noch wesentlich kleiner als der von der LTU geplante Airbus 330.

In einem sind sich die Experten einig: Ein Low-Cost-Langstreckenflieger kann sich nur rentieren, wenn er von einer ausreichenden Zahl Low-Cost-Carrier gefüttert wird. Diese Situation ist halt nun mal in Köln und nicht in Düsseldorf gegeben. Das Low-Cost-Netzwerk von Köln verfügt derzeit über 55 Destinationen und täglich kommen neue hinzu.

Ideal jedenfalls wäre das Zusammenspiel von Condor und Germanwings, die ja beide dem Lufthansa-Aviation-Konzern angehören. Erste Anläufe von Ralf Teckentrup in diese Richtung hatten aufgrund interner Querelen nicht den gewünschten Erfolg. Wie aus Oberursel zu hören ist, soll das Thema jedoch noch nicht endgültig vom Tisch sein. Ganz im Gegenteil. Nur müssten die Piloten erst einmal tragbare Bedingungen schaffen.

Nicht nur Low-Cost. Die Gedanken von Garvens kreisen jedoch nicht nur um die Low-Cost-Fliegerei. Laut überlegt er, die vierte Runway in Frankfurt/Main käme auf keinen Fall vor 2010. Lufthansa und Star Alliance würden nach München ausweichen. Doch was geschehe mit den Non-Star-Alliance-Carriern? Die hat nun Garvens ins Visier genommen. Die Reise seines Vertriebschefs nach Fernost war nicht zuletzt deshalb vielversprechend, weil dieser in Begleitung von hochrangigen Germanwings-Managern auftrat, die Fakten und Zahlen über den Zubringerverkehr in die Gespräche einbrachten. Das hinterließ Eindruck.

Unter dem Aspekt, dass Frankfurt und München zu Star-Alliance-lastig seien, versucht Garvens nun auch Köln/Bonn als unabhängigen Airport mit einem guten Zubringerverkehr zu verkaufen. Warum sollte ihm dies nicht auch gelingen. Doch vor lauter Strategie lässt Garvens die Kosten nicht aus den Augen. Fürchtend, dass auch bei ihm der Erlösverfall irgendwann zu einem Thema wird, hat er vorsorglich schon einmal eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet, die ihm 25 Prozent niedrigere Lohnkosten sichert. Der Mann baut vor.
von Heiner Berninger

(Touristikreport vom 23.09.2004)