Zurück zur Übersicht

drucken

Streit um Fluglärm-Messungen
Umweltschützer werfen Flughafenbetreiberin Fraport vor, dass sie unliebsam hohe Werte unter den Tisch fallen lässt

Fünf Prozent der Fluglärm-Messungen am Rhein-Main-Flughafen gehen nicht in die Lärmauswertung ein. Als Hauptgrund nennt Fraport zu starken Wind, der die Ergebnisse beeinträchtige. Das Unternehmen weist Vorwürfe zurück, durch das Weglassen hoher Werte würde der Lärmreport manipuliert.

VON WOLFGANG SCHUBERT

Frankfurt · 7. Dezember · Die "Bürgerinitiative für Umweltschutz Eddersheim e.V." sah gute Gründe für ihre Vermutung, Fraport lasse unliebsam hohe Messwerte bei der Auswertung unter den Tisch fallen. Mitte September beschwerte sich BI-Mitglied Frank W. bei Fraport über einen 747-200 Jumbo, der abweichend von der normalen Flugroute direkt über sein Haus donnerte. W. bat auch um Auskunft, mit wie viel Dezibel der Flieger an der Fraport-Messstation in Eddersheim registriert wurde.

Die Umweltabteilung ließ den Umweltschützer allerdings abblitzen. Es gab keinen Wert. "Durchgeführte Messungen von Fluglärm während bestimmter Wetter- und Temperaturverhältnisse wie z.B. Niederschläge sowie Gewitterlagen, Temperaturinversionen, hohe Luftfeuchtigkeit und starker Wind führen zu Ungenauigkeiten und zu falschen Fluglärm-Messergebnissen", klärte Fraport auf und bat im Antwortschreiben um Verständnis, "dass aufgrund der vorgenannten Ausführungen keine Pegelwerte bekannt gegeben werden können."

Ausbaugegner W. war empört. "Es ist ja gerade Sinn von Messungen, die örtlichen Gegebenheiten der Lärmentstehung, wozu auch die Witterung gehört, in die Messungen einzubeziehen." So führten tief hängende Gewitter- und Regenwolken zwangsläufig zu höheren Lärmwerten, weil die Schallwellen von den Wolken zurückgeworfen werden. Ein zweiter Brief an den Vorsitzenden der Eddersheimer Umweltschützer nährte den Manipulationsverdacht mehr als er ihn entkräftete. Dort hieß es wörtlich: "Bei der Beurteilung von Flugstrecken und Flugverfahren sollten Messungen unter besonderen Witterungseinflüssen gesondert betrachtet werden." Es folgte die Auflistung der besonderen Wetterlagen: Inversionen; Niederschläge; relative Luftfeuchtigkeit weniger als 30 Prozent und mehr als 80 Prozent, Lufttemperatur weniger als zehn Grad Minus und höher als 25 Grad Plus; Windkomponente bezogen auf die Flugrichtung 15 Stundenkilometer; geschlossene Wolkendecke mit Wolkenuntergrenze weniger als 600 Meter. Für den BI-Vorsitzenden Heinz Schuch war der Hinweis auf die "gesonderte Betrachtung der besonderen Witterungseinflüsse" Anlass zur Schlussfolgerung: "Die manipulieren."

Dem widerspricht Mathias Brendle, Abteilungsleiter Umweltstrategien: "Wir werten 95 Prozent aller Messungen aus." Die restlichen fünf Prozent müsse Fraport entsprechend der DIN-Vorschrift 45643 außer Acht lassen, in aller Regel, weil der Wind zu stark sei. Bei Windböen über 20 Knoten, die mindestens vier Minuten vorherrschen, solle nicht gemessen werden. Der Wind zerre dann so an den Mikrofonen, dass die Messergebnisse verfälscht werden könnten.

Die - laut DIN-Vorschrift - beiden anderen Ausschlusskriterien "heftige Schnee- und Regenschauer" sowie "Gewitter" spielten in Frankfurt "eine absolut untergeordnete Rolle". "Wir haben fast nur ein Windproblem", sagt Brendle. Alle anderen Klimakomponenten seien nicht relevant für die Messungen, von Bedeutung aber für deren Erklärung. "Wenn es extrem heiß ist", nennt Brendle ein Beispiel, "steigen Flugzeuge langsamer und erreichen einen Messpunkt dann in geringerer Höhe als normal." Wenn Extrem-Temperaturen über einen längeren Zeitraum andauerten, fielen auch die Messergebnisse höher aus.

Dass die Fraport-Briefe an die Umweltschützer zu anderen Schlussfolgerungen führen konnten, räumt Brendle ein: "Das war zum Teil zu allgemein gehalten." Die Kritik ist auch Selbstkritik. Denn den zweiten Brief hat Brendle selbst unterschrieben und darin auch den Pegel-Wert der 747 über Eddersheim mitgeteilt: "88,8 dB(A)."

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 08.12.2004)