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Wasser-Hahn zieht Keime an

Verseuchte Trinkwasser lässt Landespolizeischule zum Millionen-Grab werden - Mängel lange bekannt

Von unserem Redakteur MICHAEL FRÖHLINGSDORF

LAUTZENHAUSEN. Sie sollen lernen, wie man gefährliche Verbrecher jagt. Vorerst müssen die Studenten der Landespolizeischule auf dem Hahn allerdings vor winzigen Keimen im Trinkwasser fliehen.

Jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend wandert Hans-Peter Kessel von Badezimmer zu Badezimmer. Er drückt bei seinem Rundgang die Klospülung, dreht die Dusche an und lässt den Wasserhahn am Waschbecken laufen. Denn es soll viel Wasser verbraucht werden.

Der Bauleiter der landeseigenen Baugesellschaft (LBB) ist kein Wasserverschwender. Zwei Wochen lang simulieren er und seine Helfer im Gebäude 1332 auf der ehemaligen Airbase den Verbrauch von mehreren Dutzend Polizeischülern. Denn das Haus steht seit Monaten leer. Schuld daran ist eine Verfügung des Gesundheitsamts. Anfang September hat die Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises in Simmern der Polizei die Nutzung von acht Gebäuden auf dem Hahn wegen Verunreinigungen im Trinkwasser untersagt. Seitdem müssen 227 der 550 Studierenden täglich von zu Hause zur Schule im Hunsrück pendeln oder in einem Hotel übernachten.

Keime? Krankheitserreger? Niemand weiß Genaues

In den weitläufigen Wasserleitungen der ehemaligen amerikanischen Soldatenwohnanlage hatten sich Keime gebildet. Wegen der "anhaltenden Uberschreitung der Richtwerte der Trinkwasserverordnung" habe das Gesundheitsamt handeln müssen, sagt Behörden-Chefin Dagmar Welker-Martin. Was sich genau in den Wasserleitungen tummelt, weiß sie allerdings nicht. Das lasse sich mit den herkömmlichen Untersuchungen nicht feststellen. Krankheitserreger, wie beispielsweise Legionellen, seien aber nicht nachgewiesen worden.

Mittlerweile ist aus der kurzfristigen Sperrung ein Dauerzustand geworden. Schon seit Juli vergangenen Jahres versucht die LBB, die die Liegenschaft an das Innenministeriuni vermietet hat, das Problem in den Griff zu bekommen. Vergeblich. Im Gegenteil: Die Zahl der Keime stieg nach Sanierungsmaßnahmen sogar an. Im September schließlich zog die Kreisverwaltung die Notbremse und untersagte die Nutzung von acht Gebäuden.

Seither stochern die Bauexperten der LBB "im Nebel", wie der Sprecher des Innenministeriums, Michael Hartmann, einräumt. Gutachter mussten ran, doch auch sie konnten die Herkunft der Keime nicht klären.

"Seit Monaten doktern wir da herum. Doch die verdammte Geschichte mit der komplizierten Chemie in den Leitungen lässt sich nicht lösen", gesteht LBB Geschäftsführer Heimann frustriert ein. jetzt soll der "Probebetrieb" im Gebäude 1332 die Fachleute der Lösung ein Stück näher bringen. Blindleitungen aus amerikanischer Zeit wurden vom Leitungssystem getrennt, Stichleitungen gekürzt und dem Wasser große Mengen Chlor zugesetzt. Mit einer "Schockchlorung" sollen die Keimnester in den Leitungen vernichtet werden.

Während Kessel seine Rundgänge absolviert, wird in den kommenden Tagen das Wasser aus den Leitungen in einem Labor untersucht. Sollte die Keimbelastung unter die Grenzwerte fallen, wäre das ein erster Lichtblick. Dann, so hoffen die Verantwortlichen, lässt sich ein Sanierungskonzept aufstellen und die drohende totale Erneuerung der Wasserleitung verhindern. Das wäre auch eine gute Nachricht für die Landesregierung. Denn in Mainz verursachen die Keime heftige politische Bauchschmerzen. Manches spricht dafür, dass die 1998 gegründete LBB auf dem Hahn ein Problem geerbt hat, das lange absehbar war. 1995 hatte das Innenministerium einen Teil der ehemaligen "Housing Areas" für satte 49 Millionen Mark von der Hahn Holding übernommen, um dort die Polizeischule zu etablieren.

Übergabe-Liste mit 10 000 Mängeln

Die 27 Gebäude waren teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Doch das störte die Politiker wenig. Die Landtagswahl am 24. März 1996 drängte, und so ordnete der damalige Finanz-Staatssekretär Thilo Sarrazin die Bauabnahme der neuen Polizeischule zum 14. März - zehn Tage vor der Wahl an. Rund 10 000 Mängel führte damals der Leitende Baudirektor Johann-Georg Schnell vom Staatsbauamt Idar-Oberstein in einer Übergabe-Liste auf, bevor ihm die Zuständigkeit entzogen wurde. Darunter war auch die fehlende Desinfektion des Frischwassersystems durch die Hahn Holding. Immerhin stand die Anlage längere Zeit leer, bevor die Studierenden einzogen. Möglicherweise wurde ein weiteres Problem nicht beachtet: Die Leitungen sind viel zu groß dimensioniert für den Verbrauch der Polizeischule. Die amerikanischen Familien gingen üppig mit dem Trinkwasser um. Wasseruhren waren in den Wohnungen unbekannt. Zudem haben die Amerikaner dem HunsrückWasser stets eine ordentliche Menge Chlor beigemischt.

Vielleicht wollte diesen Problemen auch niemand die notwenige Aufmerksamkeit schenken. Jedenfalls beschwerten sich schon im Herbst 1996 Studierende über den üblen Geruch und die rostige Farbe des Wassers. Daraufhin wurden Proben genommen und in zwei Gebäuden Werte über den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung festLyestellt. Das Gesundheitsamt wurde gleichwohl nicht informiert. "Wir haben erst im Zuge der jetzigen Maßnahmen von den damaligen Dingen erfahren", sagt Dagmar Welker-Martin. Möglicherweise kommt nun auf das Land ein Bußgeldverfahren zu.

"Das Schlimme ist, dass die Wasserprobleme auf dem Hahn lange bekannt waren", resümiert auch der Leiter der LBB-Niederlassung Idar-Oberstein, Manfred Förster. Dies musste vergangenes Frühjahr auch Finanzminister Gernot Mittler im Haushaltsausschuss des Landes einräumen. Für 3,4 Millionen Mark würden die Leitungen saniert, kündigte er zur Überraschung der Opposition an. Dabei hatte der Landesrechnungshof schon 1997 moniert, dass das Land 1995 zehn Millionen Mark zu viel für die Anlage ausgegeben habe.

Nach der Sanierung folgt die Sanierung

Dass sich die Sanierung der Leitungen nun zu einem Fass ohne Boden entwickelt, konnte Mittler damals nicht ahnen. Die hohe Zahl von Keimen im Wasser fiel nämlich erst auf, als die Leitungen im Sommer von innen mit Harz ausgekleidet wurden, um weiteren Rost zu verhindern. Dabei fanden auch Wasser-Messungen statt.

475 000 Mark Miete muss das Innenministerium monatlich an die LBB für die Polizeischule zahlen. In den vergangenen Monaten dürfte das Geld deutlich spärlicher geflossen sein. Über den Umfang der Mietminderung schweigt sich das Innenministerium aus. Klar ist, dass dies ein Loch in die Kalkulation der LBB reißt. Auch Innenminister Walter Zuber muss in die Kasse greifen, schließlich müssen die Fahrkosten der pendelnden Polizeischüler übernommen werden.

Zwischenzeitig wurde überlegt, Teile der Polizeischule in die ehemaligen Gebäude der Bereitschaftspolizei in Wittlich-Wengerohr zu verlagern. Die Anlage wird zurzeit für elf Millionen Mark saniert. Inzwischen sind die Pläne wieder in der Schublade verschwunden. Nun heißt es, ab Herbst nutze die Polizeischule die Wittlicher Gebäude für zusätzliche Fortbildungsmaßnahmen im Computerbereich, weil auf dem Hahn zu wenig Platz sei. Möglicherweise müssen die Ausweichpläne wieder hervorgekramt werden - sollte sich herausstellen, dass die Leitungen auf dem Hahn doch komplett erneuert werden müssen.

Mit einer Entscheidung dürfte sich die Landesregierung allerdings mehr Zeit lassen als 1996. Ein Umzug kurz vor der Wahl, wäre politisch unklug. Immerhin räumt Zubers Sprecher Michael Hartmann ein, beim Wittlicher Bau werde wegen der Situation auf dem Hahn "aufs Tempo" gedrückt.

(Trierischen Volksfreund v. 19.01.2001)

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