Wir sind gespannt, ob diese Experten für die Klage gegen die Startbahnverlängerung auf dem Flugplatz Hahn zu gewinnen sind!

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"Fluglärm ist ein unterschätztes Umweltgift"

Dreieich (1u) "Fluglärm ist ein Umweltgift von enormer Größenordnung und wird noch viel zu sehr unterschätzt", ist Professor Dr. Martin Kaltenbach aus Buchschlag überzeugt. Deshalb müssten bisherige, teils vor Jahrzehnten festgelegte Lärmgrenzwerte überdacht und zum Schutz der Menschen neusten Erkenntnissen angepasst und deutlich nach unten korrigiert werden.

Der Mediziner - Herz-Kreislauf-Spezialist und langjährige Leiter der Kardiologie an der Frankfurter Uni-Klinik - und seine Experten im Vorstand des Rhein-Main-Instituts (RMI) Darmstadt wollen deshalb am Freitag, 12. Oktober, während einer öffentlichen Veranstaltung ab 19 Uhr im Bürgersaal Buchschlag über den Stand der Lärmwirkungsforschung informieren. "Neue Grenzwerte für Fluglärm - was kommt nach dem Jansen-Kriterium?" lautet das Motto des Abends mit drei sachkundigen Referenten.

"Besondere Aktualität hat unsere Veranstaltung durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Fluglärmbelastung am englischen Flughafen Heathrow", meinte Kaltenbach zu dem Straßburger Richterspruch, der dem Menschenrecht auf Nachtruhe Vorrang vor dem Recht des Flughafenbetreibers auf Nachtflüge gegeben hatte, gestern bei einer Pressekonferenz des RMI in Buchschlag.

Weitere aktuelle Brisanz hat die Frage, welche Lärmbelastungen man den Anwohnern von Flughäfen zumuten kann, auch durch eine Gerichtsentscheidung zum Hamburger Flughafen erhalten. Das so genannte "Jansen-Kriterium" aus den 70er Jahren - es legte die nach Erkentnnissen des Mediziners Professor Dr. Gerd Jansen ermittelte "Aufweckschwelle" bei 60 Dezibel (A) fest und war lange Jahre medizinische Grundlage der Grenzwertbildung wurde von dem Gericht zu den Akten gelegt.

"Die bisher gerichtlich praktizierten Lärmgrenzwerte liegen viel zu hoch", so Kaltenbach, der auch auf die jüngsten Ergebnisse eines Workshops von zwei Dutzend Experten der Lärmwirkungsforschung verwies, zu dem die Vereinigung "Ärzte für vorbeugende Umweltmedizin" in die Nähe von München eingeladen hatte. Für eine Umsetzung in rechtliche Regelungen gingen die Experten davon aus, dass bei Fluglärmbeiastungen von 55 Dezibel (dB A) tags und 45 dB (A) nachts die Grenze zur "erheblichen Belästigung" erreicht werde, bei 60 dB (A) tags und 50 dB (A) nachts aus vorbeugungsmedizinischer Sicht Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten seien. Nach heutigem Kenntnisstand müssten regelmäßige nächtliche Maximalpegel von 52 dB (A) am Ohr des Schläfers vermieden und unterschritten werden - als Mindestforderung.

"Größere Lärmbelastungen können ja nicht nur höheren Blutdruck und damit Herzinfarkte und Schlaganfälle zur Folge haben. Lärm macht gewissermaßen auch dumm", meinte Kaltenbach. Er verwies zugleich auf Beeinträchtigungen der Lern-, Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit sowie der Motivation bei Kindern, die in Zusammenhang mit Studien zum Münchner Flughafen festgestellt wurden. Bei Testversuchen, bei dem ein - unlösbares Rätsel gelöst werden sollte, hätten - so Kaltenbach lärmbeeinträchtigte Kinder deutlich früher aufgegeben als andere: "Eine Tendenz zum 'Null-Bock-Kind' - für eine hoch entwickelte Industrienation wie unsere nicht ungefährlich."

"Besucher unserer Veranstaltung brauchen aber keine Angst zu haben, dass sie wegen der vielen Fachfragen nichts verstehen", beruhigte RMI-Geschäftsführerin Barbara Link mögliche Zuhörer bei der Veranstaltung am Freitag.

Zur Einleitung wird der Akustik-Physiker Dr. Dietrich Kühner (Firma deBAKOM) die Fluglärmmessungen in der Region und in Neu-Isenburg vorstellen und Grenzwertvorschläge unterbreiten. Dr. Christian Maschke (Berlin) wird sich kritisch mit dem "Jansen-Wert" auseinandersetzen, und Dr. Ing. Rainer Hartmann vom Institut für Sinnes- und Hörphysiologie will allgemein verständlich den internationalen Stand der Lärmwirkungsforschung samt Grenzwerte einschließlich dr neugefassten Schweizer Regelungen darstellen. Der Eintritt zum RMI-Infoabend ist frei.

(Offenbach-Post online vom 09.10.2001)

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