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Wer zahlt die Zeche?

LUFTVERKEHR / Warum Ryanair 500 000 Tickets verschenken will und warum das letzlich teuer werden könnte.

DÜSSELDORF. Caroline Baldwin hatte sich auf einen schönen Tag gefreut. Mit einer halben Million geschenkter Tickets im Gepäck war die Marketing-Chefin des Billigfliegers Ryanair ins Konferenzzentrum des Düsseldorfer Flughafens gekommen. So viele Flüge werde Ryanair auf ausgewählten Routen bis Februar allein auf dem deutschen Markt anbieten, nur Steuern und Gebühren (zwischen 16 und 32 Euro) müsse der Kunde aufbringen. Das, befand Baldwin, sei doch "fantastisch".

Andere sind da anderer Meinung. "Sitzplätze zum Nulltarif gehen auf Kosten des Steuerzahlers, wenn die Flüge von öffentlich subventionierten Flughäfen erfolgen.", kritisierte kurz darauf Düsseldorfs Flughafenchef Rainer Schwarz. Schwarz hat damit mehr im Blick als nur den Flughafen Niederrhein. Bundesweit gebe es wettbewerbsverzerrende Dumpingpreise, die letzlich "der Bürger zahlt".

In NRW sind das unter anderem öffentliche Hilfen für die Flughäfen in Köln und Dortmund. So zahlt der Flughafen Köln für sein Gelände nur den Bruchteil einer marktgerechten Pacht an den Bund, ein Vorteil in zweistelliger Millionenhöhe, den der klamme Bundesfinanzminister inzwischen wieder einkassieren möchte. In Dortmund gleichen die Stadtwerke die Verluste des Flughafens auf, zuletzt über 18 Millionen Euro. Ausgerechnet diese Flughäfen aber, die gezielt auf Billigflieger abheben, bieten bei den eigentlich einheitlichen Flughafengebühren erhebliche Kompensationen.


Das Prinzip ist in der Kritik


In Dortmund lassen sich auf der Internetseite die Sonderkonditionen nachlesen, die dazu führen, dass easyJet nur zwei Euro pro Passagier zahlt (Zum Vergleich: Air Berlin zahlt das Sechsfache). Entgegenkommen bei der Abfertigung und Zuschüsse für Werbung machenīs möglich. Air Berlin, Hapag Lloyd und Lufthansa pochen bereits auf Gleichbehandlung. Auch in Köln gibt es Hinweise, dass der Flughafen Billigfliegern unterm Strich mit Gebühren schmeichelt, die nicht einmal die Kosten decken. Summen von sieben Euro nennen Insider; eine Zahl, die Flughafensprecher Norbert Römer aber bestreitet: "So wenig zahlt hier keiner."

Doch ob nun zwei, sieben oder acht Euro; das Prinzip gerät in die Kritik. Aus einem einfachen Grund: Wenn Flughäfen öffentliches Geld gleichsam an ausgewählte Airlines weiterreichen, verzögere das nur die "die überfällige Marktanpassung", sagt Schwarz. Der Widerstand wächst daher, überall. Air Berlin verklagt die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, weil die wiederum einseitig Ryanair und easyJet subventioniere. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Fluggesellschaften hat die Europäische Kommission wegen vermuteter Millionenspritzen des Flughafens Lübeck für Ryanair angerufen, und in Frankreich und Belgien gibt es bereits erste Gerichtsurteile, die diese Art der Förderung untersagen.

Die wahren Kosten der Billigfliegerei, sie werden zum Thema, der Wind hat sich gedreht. Vor zwei Jahren konterten Ryanair & Co. Kritik an der Förderpraxis noch gelassen mit dem Hinweis, man gönne Passagieren wohl keine günstigen Preise und sah sich im Verbund mit Verbraucherschützern. Jetzt ist das anders, wird vermehrt die Frage gestellt, ob das in Generalüberholung befindliche Gemeinwesen nicht gravierendere Sorgen hat, als Billigflieger zu sponsern.


Nichts Genaues weiß man nicht


Oder Billigflughäfen. Zumal solche, die sich der Kontrolle entziehen. Ein Beispiel ist der private Flughafen Niederrhein, in den Kreis Kleve und Gemeinde Weeze binnen eines Jahres 23 Millionen Euro an Kassenkrediten und Darlehen gepumpt haben. Doch nach Aufklärung über die exakte Verwendung fragt man vergebens. Entweder wird Geschäftsführer Alex van Elk, wie auch gestern, kategorisch ("Über Geld reden wir nicht") oder unwissend. Selbst welchen Umsatz die Firma, deren Geschäfte er führt, im letzten Jahr gemacht hat, wusste van Elk nicht zu sagen ("Habī ich jetzt nicht parat"). Erst auf mehrfaches Nachfragen gab er vage preis, welchen Umsatz er für dieses Jahr erwartet: "über zehn Millionen Euro".

Von Gewinn ist da noch überhaupt keine Rede. Wie auch? Die Geschenkaktion von Ryanair zeigt, wie brachial Billigflieger ihr in hohen Raten nötiges Wachstum erzwingen. Ein Kostendruck, der an etlichen Flughäfen einfach durchgereicht wird. Wozu das führt, sagt Schwarz deutlich: "Zum Ruin." Es sei denn, die öffentliche Hand stopft die Löcher, so wie es in den letzten Jahren mit dem Argument "Infrastrukturförderung" üblich war. Doch allmählich erhebt sich die Frage: Wie lange noch? (NRZ)

08.09.2004 DETLEF SCHÖNEN

(NRZ vom 08.09.2004)

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