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Frachtgeschäft
DHL will von Leipzig starten

28. November 2003 Der Expreßzusteller DHL denkt darüber nach, am Flughafen Leipzig/Halle ein Luftdrehkreuz (Hub) einzurichten, um seinen Hauptumschlagplatz in Brüssel zu entlasten. Nach Informationen dieser Zeitung verhandelt die Tochtergesellschaft der Deutschen Post über die Aufnahme von Frachtflügen (zum Beispiel für Dokumente) mit der staatlichen Flughafenholding Mitteldeutsche Flughafen AG und mit der sächsischen Landesregierung. Bekommt Leipzig/Halle den Zuschlag von DHL, könnten an dem von Sachsen und Sachsen-Anhalt gemeinsam betriebenen Flughafen direkt mehr als 1000 Arbeitsplätze entstehen. Der neue Hub könnte 2007 den Betrieb aufnehmen. Dem Vernehmen nach müßten DHL und die Muttergesellschaft Deutsche Post AG fast 100 Millionen Euro in Leipzig investieren. Deutlich größer dürften die öffentlichen Investitionen sein, vor allem für den Flughafenausbau.

Im Oktober hat der Flughafen einen Planfeststellungsantrag zum Neubau der südlichen Landebahn eingereicht. Für mindestens 200 Millionen Euro soll die vorhandene Piste parallel zur nördlichen Interkontinentalbahn gedreht und auf 3600 Meter verlängert werden, um auch dort Großflugzeuge aufzunehmen. Luftfahrtexperten schließen daraus, daß sich der Flughafen, der eine 24-Stunden-Genehmigung besitzt, als Nachtplatz profilieren will. Für das schnelle Starten und Landen der Transportflieger seien zwei Parallelbahnen unabdingbar. Es wird geschätzt, daß dort innerhalb weniger Nachtstunden etwa ein Dutzend DHL-Flugzeuge landen, abgefertigt und wieder starten müssen; in Brüssel, wo jeden Tag 165 000 Sendungen umgeschlagen werden, sind es derzeit 25 bis 30. Dort gibt DHL 2700 Personen direkt und weiteren 3000 indirekt Arbeit.

Uneingeschränkter Nachtflugbetrieb

Leipzig/Halle könnte auch von dem drohenden Nachflugverbot am Frankfurter Flughafen Rhein-Main profitieren, für den DHL und die Postflieger ebenfalls eine Alternative suchen. Aus dem Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG hieß es, man sei in Brüssel gewesen und habe "gute Gespräche" geführt. Wenn DHL nach Leipzig/Halle komme, brauche man eine zweite Landebahn. In Branchenkreisen heißt es, daß Leipzig/Halle in der europaweiten Prüfung andere Standorte hinter sich gelassen habe, zum Beispiel Berlin-Schönefeld; noch im Rennen sei unter anderem Hannover. Für die ostdeutsche Stadt sprächen die moderne Anlage, der vorhandene Platz außerhalb von Wohngebieten, der uneingeschränkte Nachtflugbetrieb, die Nähe zu den Wachstumsmärkten Osteuropas, die Anbindung an die Schiene und an zwei Autobahnen, die hohe Förderung und die geringeren Löhne. Gegen Leipzig/Halle spreche, daß es weit von den Zentren Europas entfernt sei, etwa vom Rhein-Main-Gebiet. Von dort müßten viele Sendungen zeitaufwendig per Straße oder Schiene herangeschafft werden.

DHL bestätigte, daß man in Brüssel an Kapazitätsgrenzen stoße und deshalb über eine Expansion verhandle. "Wir sind uns bewußt, daß die vorherrschenden Bedingungen keinen Ausbau erlauben. Deshalb prüfen wir Alternativen an unseren bestehenden Hubs und an neuen Flughäfen. Auch in Leipzig", sagte eine Sprecherin. Es gebe aber noch keine Entscheidung. Der Vorstandsvorsitzende der Mitteldeutschen Flughafen AG, Volkmar Stein, sagte: "Es stimmt, daß wir uns stärker im Frachtgeschäft positionieren wollen." Man sei mit allen relevanten Expreßanbietern im Gespräch.

In den Flughafen hat die öffentliche Hand seit der Wiedervereinigung mehr als eine Milliarde Euro investiert. Im Juni wurde die Kapazität von 3,5 auf 4,5 Millionen Passagiere erhöht. Im vergangenen Jahr nutzten aber nur knapp 2 Millionen Gäste den defizitären Flughafen. Der Umsatz ging 2002 von 44,3 auf 41,7 Millionen Euro zurück. DHL erwirtschaftete 2002 fast 22 Milliarden Euro Umsatz und ein Betriebsergebnis von 467 Millionen Euro. Die Gesellschaft beschäftigt 170 000 Mitarbeiter und nutzt 250 Flugzeuge.

Originalmeldung

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.11.2003)

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