Sind wir wirklich "der letzte Dreck"?

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Wer wissen will, was die Menschen in unserer Region den verantwortlichen Politikern und der Wirtschaft wert sind, der führe sich den Artikel "Vom Hunsrück ans Rote Meer" im Trierischen Volksfreund vom 15.12.2003 zu Gemüte. (Anmerkung: fast identisch mit dem Artikel in der Hunsrücker Zeitung)

"Weil sich", so Frankfurt-Hahn-Geschäftsführer Jörg Schumacher unwidersprochen, "anders als in den Ballungsräumen Rhein-Main oder Rhein-Ruhr der Protest gegen Fluglärm in Grenzen hält - allein schon aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte - werde dieser Komplex auf längere Sicht wohl keine besondere Rolle spielen." So einfach ist das: Auf Kosten der Bevölkerung in Hunsrück, Eifel und an der Mosel soll Frankfurt von den unangenehmsten Seiten des Flugverkehrs entlastet werden. So "erkauft" man sich dort das Wohlwollen zur Flughafenerweiterung in Frankfurt.

Der Anlass, bei dem diese Äußerung auf dem Hahn fiel, war die Eröffnung der neuen Flugroute nach Ägypten. Während der ägyptische Touristikunternehmer Kahled Samy schwärmt: "Welch wunderschöne Region ist diese Gegend um Frankfurt-Hahn", wird flugs dafür gesorgt, dass noch mehr Menschen hier wegfliegen können, um woanders Urlaub zu machen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: 80 % der Flüge auf dem Hahn sind Abflüge: Bedeutend mehr Menschen verlassen die Region und nehmen ganz nebenbei Kapital und Wertschöpfung mit. Was übrig bleibt, ist Lärm, Luft- Wasser- und Bodenverschmutzung, die Zerstörung der ach so "wunderschönen Region", was für einen wichtigen Wirtschaftsfaktor der Region - den Tourismus - tödlich ist. Als Ersatz, so wird den Menschen hier eingeredet, kriegt Ihr ja neue Arbeitsplätze.

"Arbeitsplätze" - ein Zauberwort, mit dem man jeden Widerstand zum Schweigen bringen kann? Es ist höchste Zeit, dem entgegenzuhalten: Mit den Methoden der Vergangenheit - Industrieansiedlung, Wachstum um jeden Preis - sind die Arbeitslosenzahlen kontinuierlich gestiegen! Denn dieses Zauberwort entpuppt sich bei näherer Betrachtung als reine Täuschung, auf die wir in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit nur zu gerne hereinfallen: Wenige Arbeitsplätze sind wirklich neu geschaffenen, meist handelt es sich lediglich um eine Verlagerung bei gleichzeitiger Rationalisierung sprich unterm Strich sogar um Wegfall von Arbeitsplätzen, das alles in der Regel hoch subventioniert oder für den Lohndumping-Markt. Wenn all die Arbeitsplätze wirklich neu geschaffen worden wären, könnten es heute gar keine Massenarbeitslosigkeit geben! Wir müssen uns endlich was Neues einfallen lassen und uns zuallererst auf unsere eigenen Kräfte und Ressourcen besinnen:

Wer Produkte der Region zu fairen Preisen kauft, wer sich an der Entwicklung einer eigenständigen Energiewirtschaft beteiligt, indem er auf moderne Holzheizsysteme umsteigt oder sich eine Solaranlage aufs Dach baut, der erhält schafft Arbeitsplätze.

Wenn sich die Menschen dieser ihrer eigenen Kraft bewusst werden, ist ihr Widerstand nicht mehr so schnell vom Tisch zu fegen. Und wenn "die da oben" zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht Sie, sondern wir die Rezepte für eine gute Zukunft haben und entschlossen sind, sie einzusetzen, werden sie ihre wahren Gründe offenbaren müssen - oder jede Antwort schuldig bleiben.

Dann haben sie entschieden schlechtere Karten und die Chance für erfolgreichen Widerstand wächst, mag die Region so dünn besiedelt sein wie sie will.

Uwe Schlüter, Morbach