Gesundheitsschäden durch Lärm und Schadstoffe des Flugverkehrs

- am Beispiel des Flugplatzes Kiel-Holtenau -

Prof. Dr. Otmar Wassermann


Anflug Kieler Förde, Fotomontage Dr. Boris Culik Das folgende Beispiel gilt nicht nur für Kiel. Es gilt für jede Region, in der einige Wenige in Politik und Wirtschaft ihre persönlichen, Profit-orientierten Halluzinationen von einem "gewinnträchtigen internationalen Charter-Flughafen" mit buchstäblich allen Mitteln erzwingen wollen, um einen der Region bisher angemessen kleinen Flugplatz "auszubauen". Das Beispiel zeigt, wie die betroffene Öffentlichkeit getäuscht und dabei das Gemeinwohl (d. h. der Schutz menschlicher Gesundheit, des Klimas und der Natur) ohne Rücksicht, Verantwortung und Gewissen dem persönlichen Gewinnstreben geopfert werden sollen. Nur massiver öffentlicher Widerstand kann solche gefährlichen Entwicklungen verhindern.


Einige Vertreter von Wirtschaftsinteressen warfen vor kurzem die Idee der "dringenden Erweiterung des Flugplatzes Kiel-Holtenau zur Rettung des Wirtschaftsstandortes Kiel" in die öffentliche Diskussion. Wie nicht anders zu erwarten, fanden diese Vorreiter Ansporn durch Gleichgesinnte. Vordergründiges Gewinnstreben – mit äußerst fragwürdigem Ausgang – ignoriert dabei rücksichtslos die Gesundheit einer großen Zahl durch diese Pläne betroffener Menschen in der Kieler Region einschließlich der Nachbargemeinden im Radius von etwa 30 km.
Aber rasch durchschaute die Öffentlichkeit die Machenschaften dieser Betreiber: Zur Förderung ihrer Absichten hatten sie von Steuergeldern eine "Potenzialanalyse" bei der Fa. Dornier (!) gekauft, deren mangelnde Neutralität erwartungsgemäß ein "Gut"achten ablieferte, dessen eklatante Fehlerhaftigkeit (selbstverständlich zu Gunsten eines Ausbaus des Flugplatzes und des in der "Potenzialanalyse" offen erwarteten Kaufs von mehreren Dornier-Flugzeugen!) die Urheber beschämen sollte.
Bemerkenswerterweise sind auch Teile der SPD für den Ausbau. Es empört hier die Öffentlichkeit außerordentlich, daß die Bundesregierung angeblich einer "Initiative aus Schleswig-Holstein zustimmt und den Ausbau empfiehlt" (obwohl sie gleichzeitig die innerdeutschen Flugpassagiere auf die Bahn umlenken möchte, siehe unten). Wer kennt denn in der Bundesregierung die Kieler Verhältnisse so genau und vertritt dort nicht nur einseitig die Interessen einer "Initiative" einer eigennützigen, nur auf wirtschaftlichen Profit ausgerichteten verschwindend geringen Minderheit, sondern die Interessen der Bevölkerung, deren Gesundheit dadurch Schaden nehmen wird? Betroffen sind in dieser Region immerhin weit über 150.000 Menschen.
Der Wortlaut der "Ausbauempfehlung der Bundesregierung" muß veröffentlicht werden und ebenso die Namen derer, die "von Seiten Schleswig-Holsteins" die Bundesregierung dazu veranlaßten. Und, schließlich, wer ist denn konkret "die Bundesregierung", d. h. welche Personen sind für solche Äußerungen verantwortlich?
Die gigantomanen Ausbaupläne entfesselten einen Sturm der öffentlichen Entrüstung, der seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht hat.

Gesundheitliche Auswirkungen von Lärm und Schadstoffbelastung
Die psychische und physische Gesundheit wird durch Fluglärm ganz allgemein beeinträchtigt, auch wenn die Menschen die Lärmbelästigung individuell sehr unterschiedlich "verarbeiten" (es darf dabei nicht einfach ignoriert werden, daß z. B. in Los Angeles in der Umgebung des Flughafens die Selbstmordrate unter den 45 – 60-Jährigen um 100% höher liegt, anderenorts werden solche Erhebungen lieber gar nicht erst durchgeführt ...). Auch eine vermeintliche "Gewöhnung" an Lärm schützt nicht vor dessen Gesundheitsschädigungen. Ältere und gesundheitlich geschwächte Menschen, Schwangere und vor allem Kinder sind vom Fluglärm besonders betroffen.
Immissionsrichtwerte oder Orientierungswerte der TA Lärm (DIN 18005, VDI 2058) geben für reine Wohngebiete Beurteilungspegel von tags 50 und nachts 35 dB(A) vor. Sie sollen demnächst gesenkt werden. Entsprechend den Empfehlungen der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA) sollten 35 dB(A) als Durchschnittspegel eingehalten werden. Doch selbst bei diesem anscheinend niedrigen Wert werden aber schon Unterbrechungen einer gesunden physiologischen Schlafstruktur festgestellt (Störeinflüsse im Schlaf-EEG erkennbar), welche die Erholung des Menschen behindern. Bereits 40 dB(A) Spitzenschallpegel verursachen bei 5% der Bevölkerung Aufwachreaktionen, ein nächtlicher Lärm mit 45 dB(A) ist für etwa 10 % der Testpersonen eine Schlafstörung, bei 65 dB(A) sind es schon 75 %.
Mit der Zunahme der Lärmbelastung von 51 – 55 dB(A) auf 66 – 70 dB(A) steigt das relative Risiko eines Herzinfarktes auf 20 %, bei nächtlicher Lärmbelästigung noch höher, da das Herz dann keine Erholungsphase mehr hat.
Der Flugplatz Kiel-Holtenau stellt bereits jetzt für die Anwohner aller Altersstufen eine permanente Belästigung dar. Unter anderen sind die Kinder in mehreren Schulen im Einwirkungsbereich des Fluglärms erheblich beeinträchtigt, eine weitere Verschlimmerung dieser Situation ist unverantwortlich:
Um einen ordnungsgemäßen Unterrichtsbetrieb sicherzustellen, müssen laut Gesetz Flughafenbetreiber und Genehmigungsbehörde durch Lärmschutzmaßnahmen und Flugbetriebsbeschränkungen in den Schulen einen Dauerschallpegel unterhalb von 35 dB(A) sicherstellen. Der Flugbetrieb in Kiel-Holtenau unterbricht jetzt schon häufig den Unterricht, da eine Kommunikation in den Klassenräumen dabei nicht möglich ist. Stillarbeitsphasen und Klassenarbeiten werden gestört. Hausaufgaben müssen unter Fluglärm gemacht werden, der die hierfür nötige Konzentration immer wieder unterbricht. Bei Fluglärm ist auch keine Erholung möglich, durch die ständige Störung der physiologischen Schlafphasen geraten die Kinder in ein Schlafdefizit von mehreren Stunden täglich.
Die den Kindern aufgezwungene permanente Streßsituation verursacht vielfältige und tiefgreifende Störungen im kindlichen Organismus, der hierfür in seiner Wachstumsphase besonders empfindlich ist. Unnatürlich langanhaltende erhöhte Blutkonzentrationen von Streßhormonen aus den Nebennieren (z. B. Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) beeinträchtigen u. a. das Immunsystem (mit der Folge erhöhter Anfälligkeit für Infektions- und Krebskrankheiten), die geistige Entwicklung und die Schulleistungen, die Geräuschaufnahme und –verarbeitung, es kommt zu allgemeinen Störungen des vegetativen Nervensystems und Schädigungen des Hörvermögens. Fluglärm schädigt die Fähigkeit, Lesen zu lernen, fehlerfrei zu lesen und das Sprachverständnis. Der Informationstransfer vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis (Speicherfunktion!) wird gestört. Die Streß-bedingt erhöhte Cortisol-Produktion, die beim Kind selbst dann stattfindet, wenn es durch den Lärm nicht aufwacht, stört in der ersten Nachthälfte die im Unterbewußtsein ablaufende Lernleistung sog. deklarativer Inhalte (z. B. Lernen und Behalten von Texten), d. h. die Leistungsfähigkeit des Langzeitgedächtnisses wird herabgesetzt. Diese Defizite sind nicht aufzuholen. Lärm-belästigte Kinder zeigen in allen Testsituationen geringere Ausdauer und größere Hilflosigkeit. Schon jetzt berichten Kinderneurologen, daß sie immer seltener normale Elektroenzephalogramme (EEG) bei Kindern ableiten können.
Lärm-belästigte Kinder leiden unter einem deutlich höheren Blutdruck als lärmgeschützte Kinder, der auch noch im Erwachsenenalter ihr Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten erhöht. In Gegenden mit hoher Lärmbelastung tritt allgemein Bluthochdruck häufiger auf.
Neben den empfindlicheren Erwachsenen sind es also in der betroffenen Region die Kinder, die als besondere Risikogruppe hier von Beginn ihres Lebens an durch Lärm geschädigt werden. Das moralisch-ethische Niveau eines Staates ist nicht zuletzt daran zu messen, wie dieser sein kostbarstes Gut, nämlich seine Kinder, zu schützen weiß. Deutschland fällt hier im internationalen Vergleich weit zurück. Es wird höchste Zeit, daß Bundesregierung und Länderregierungen erkennen, wie kraß der Widerspruch zwischen der vehementen Verteidigung des § 218 und der politischen Ignoranz ist, mit welcher die Kinder in diesem Staat nach der Geburt vernachlässigt werden, d. h. eben dann den verdienten Schutz kaum noch erhalten. In diesem Zusammenhang muß die Vertrauenswürdigkeit der derzeitigen "politischen Sorge, daß nicht genügend deutsche Kinder geboren würden", gründlich hinterfragt werden.
Die fortgesetzte Einwirkung von Fluglärm stellt somit eine ernstzunehmende Gesundheitsschädigung, d. h. Körperverletzung, dar, welche die Betroffenen langfristig benachteiligt. Gegen Artikel 2 (2) des Grundgesetzes ("Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit") wird hier fortgesetzt verstoßen.

Schadstoffbelastung
Modernere Flugzeuge sind hinsichtlich des Schadstoffausstoßes nicht besser als ältere, wenn sie nicht deutlich weniger Treibstoff verbrauchen. Neuere Verbrennungstechnik erzeugt zwar kleinere (und weniger leicht sichtbare), dafür aber tiefer lungengängige krebserregende Rußpartikel. Die Verbrennungsabgase von Flugzeugen sind äußerst komplizierte Gemische toxischer Chemikalien, die nicht nur Krebs auslösen oder die Atemwege schädigen, immuntoxisch oder allergen wirken, sondern praktisch alle Körperfunktionen nachteilig beeinflussen können. Die toxikologische Forschung (und damit ein besserer Schutz der Bevölkerung) wird hier durch die Geheimhaltung der Zusammensetzung der Treibstoffe und der zugesetzten "Additiv-Pakete" stark behindert.
Der Treibstoffverbrauch durch den Flugverkehr ist eine gigantische, schon gegenüber der nächsten Generation nicht mehr zu verantwortende Ressourcenverschwendung. Der globale Flugverkehr verursacht durch seine Abgase mehr als die Hälfte der Gesamtverschmutzung durch das Transportwesen (UN-Bericht), er schädigt lokal Menschen und Natur und trägt wesentlich zu schwerwiegenden kontinentalen und globalen Klimaveränderungen bei.
Die Erfassung der Gesamt-Umweltbelastung durch den Flugplatz Kiel-Holtenau schon im jetzigen Betrieb ist daher zwingend notwendig, aber nur durch eine kompetente, unabhängige und vertrauenswürdige Institution, wie z. B. das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Wissenschaftszentrum NRW, Wuppertal. Ich fordere die Betreiber des Flugplatzausbaus auf, alle bereits eingeholten und künftigen Gutachten diesem Institut zur Prüfung vorzulegen und es mit einer Gesamtbewertung zu beauftragen.
Neben Versiegelung von Boden (und dessen nachteilige Wirkungen auf den Wasserhaushalt), Zertrennung von Biotopen und Zerstörung von Lebensraum und zusätzlich zur steigenden Lärmbelästigung verstärkt ein Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau die schleichende Vergiftung der weiteren Umgebung in vielfältiger Weise (siehe unten).

Grenzwerte
Die Betreiberseite argumentiert vordergründig mit der Behauptung, "derzeit geltende Grenzwerte des Lärmschutzes würden meistens eingehalten".
Abgesehen davon, daß ihnen dies niemand glaubt, sind "Grenzwerte" grundsätzlich von Wirtschaftsinteressen diktierte politische Werte, bei deren Zustandekommen der Schutz menschlicher Gesundheit (oder der Natur) deutlich nachgeordnet wird. Im Klartext heißt das, daß bei der Festlegung von Grenzwerten nach statistischen Kriterien für die betroffene Bevölkerung bestimmte Krankheits- oder sogar Todesraten "akzeptiert" werden (wer eigentlich "akzeptiert" hier?). Die Grenzwerte schützen also nicht wirklich, schon gar nicht die Empfindlicheren.
Geflissentlich verschwiegen wird dabei auch, daß bei den Bewertungen einer Lärmbelastung die besonders gesundheitsschädlichen Spitzenbelastungen gründlich "weggemittelt" werden: "So werden aus den meßtechnisch ermittelten 10-Minuten-Mittelwerten zunächst Halbstunden-Mittelwerte abgeleitet und diese wiederum über den Tag gemittelt, dann werden diese noch einmal über die ganze Untersuchungsperiode von über 4 Monaten gemittelt" (J. H. Beckers, 2001). Die Absicht ist klar: Durch diese "Mittelwerte von Mittelwerten von Mittelwerten von Mittelwerten" werden kleinstmögliche Zahlenwerte erhalten, mit denen man dann der Bevölkerung den Bären der Ungefährlichkeit aufbinden möchte (vergleichbar könnte die Verkehrspolitik argumentieren: "Der jährliche Blutverlust auf deutschen Autobahnen beträgt im Mittel nur etwa 1 ml pro Kopf der Bevölkerung, das kann vernachlässigt werden ..."). Die tatsächlichen kurzfristigen Einwirkungen hoher, stark (und mit langfristiger Auswirkung) gesundheitsschädlicher Lärmwerte und/oder Schadstoffkonzentrationen werden dadurch vorsätzlich verschwiegen. Dieses Vorgehen ist nichts anderes als legalisierte Täuschung und Billigung fortgesetzter Gesundheitsschädigung für die Betroffenen.
Hinzu kommt, daß bei derartigen Interessen-gesteuerten Diskussionen niemals die komplexe toxische Gesamtsituation aller vom Verursacher erzeugten schädigenden Einwirkungen zusammen berücksichtigt wird (d. h. die "Grenzwert-Argumentation" ist von vornherein eine Täuschung der betroffenen Öffentlichkeit). So wird sowohl die bestehende Grundbelastung als auch die zusätzlich zum Lärm steigende Schadstoffbelastung der betroffenen Region durch Abgase des Flugverkehrs einfach ignoriert:

  • Es ist eine technische Binsenweisheit, daß beim Start – zusätzlich zu der dann besonders starken Lärmbelastung – eine weitaus größere Menge an gesundheitsschädlichen Verbrennungsabgasen, zusammen mit ebenso bedenklichen (nur teilweise oder nicht verbrannten) Treibstoffresten, ausgestoßen wird als beim Normalflug;
  • Es ist eine von den Verantwortlichen stets bewußt heruntergespielte Tatsache, daß in bestimmten Flugsituationen vor der Landung der Treibstoff "abgelassen" wird;
  • es ist weiterhin bekannt, daß extrem gesundheitsschädliche "Additive" bestimmten Flugzeugtreibstoffen aus technischen Gründen zugesetzt werden (unter vorsätzlicher Vernachlässigung der dadurch verursachten Gesundheitsschäden), worüber die Bevölkerung nicht informiert wird. Hier sei als gefährliches Beispiel nur das hochtoxische 1,2-Dibromethan im NATO-Flugbenzin "JP-8" erwähnt, dessen Verwendung in Deutschland inzwischen zwar verboten ist, im militärischen Bereich aber jeder Kontrolle entzogen wird und dessen Vermischung mit den Treibstoffen der zivilen Luftfahrt keineswegs sicher ausgeschlossen ist;
  • es ist ein Skandal, daß von den Verantwortlichen im Bereich des Flugwesens und in der Politik die Zusammensetzung der verwendeten Treibstoffe gegenüber der betroffenen Bevölkerung geheimgehalten wird.

Die Belastung von Gesundheit und Natur wächst in Kiel-Holtenau und Umgebung

  • durch den steigenden gesamten Chemieeinsatz im Flugplatzbereich, z. B. bei der Wartung, Oberflächenreinigung mit Lösemittelgemischen, Enteisungschemikalien, Treibstoffverdampfung und -versickerung etc.,
  • durch erhebliche Zunahme der Abgase (beim Start Aerosole aus unverbranntem und verbranntem Treibstoff-Additiv-Gemisch) und des Reifenabriebs der Flugzeuge,
  • durch die Emissionen des stark anwachsenden Pkw- und Lkw-Verkehrs (evtl. auch mit großen Mengen explosiblen Flugtreibstoffes?) zum und vom Flugplatz (einschließlich des damit steigenden Unfallrisikos auf den Straßen) und anderes mehr.

Seit 20 Jahren mehren sich die Befunde, daß in Siedlungsgebieten, die einer steigenden Belastung mit Kraftfahrzeug- und Flugzeugabgasen ausgesetzt sind, die Häufigkeit allergischer Erkrankungen steigt.
Zusätzlich werden die Anwohner regelmäßig mit Radarstrahlung von den Flughäfen belastet.
Und völlig verschwiegen wird der erhebliche Beitrag der großen Abgasmengen des Flugverkehrs zur Entstehung und Verstärkung der gesundheitsschädlichen Sommersmog-Perioden mit hohen Werten für Ozon und andere Photooxidantien.
Daher die Frage an die Betreiber von Flughafenausbauplänen, d. h. an die für die dadurch verursachten Schäden Verantwortlichen:

Welcher "Grenzwert" schützt in solchen komplexen Situationen die Betroffenen?

Warum gibt es bisher noch keine umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der gesamten Bevölkerung bzw. ihres Krankheitsmusters im Einwirkungsbereich des Flugplatzes Kiel-Holtenau (Lärm und Schadstoffe)? Die Antwort ist einfach: Hätte man bereits fürsorglich und verantwortungsbewußt eine derartige Erhebung gemacht, so wäre – wie in vergleichbaren Fällen eben auch – ein unbequemes Ergebnis ans Tageslicht gekommen, daß nämlich Flugplatz-bedingte Gesundheitsschäden bereits sichtbar sind. Und wenn die Verantwortlichen jetzt eine solche Untersuchung verweigern, können sie in 10 – 20 Jahren – wenn die Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung als Folge des Flugplatzausbaus nicht mehr länger zu leugnen sind – behaupten, "man habe ja keine Vergleichsdaten, ob es früher nicht auch schon so schlimm gewesen ist" ..
Dazu gehört auch ein hochauflösendes kleinregionales Register über die Erkrankungshäufigkeit und die Sterblichkeit für alle Krebsarten. Die Methodik hierfür ist verfügbar. Eine solche Untersuchung darf freilich nicht zur Täuschung der Bevölkerung von einer politisch abhängigen, vorauseilend gehorsamen "task force" (die nichts finden soll und will) produziert, sondern muß von fachlich kompetenten, unabhängigen und integeren Epidemiologen durchgeführt werden, selbstverständlich auf Kosten der verantwortlichen Schadensverursacher, nämlich hier der Stadt Kiel und des Landes Schleswig-Holstein als Träger des Flugplatzes Kiel-Holtenau.

Risiko von Flugzeugkatastrophen
Der von der geplanten Erweiterung des Flugplatzes Kiel-Holtenau betroffenen Bevölkerung – immerhin weit mehr als 150.000 Menschen – wird verschwiegen, daß mit dem geplanten wachsenden Flugverkehr neben der Lärm- und Abgasbelastung auch die Gefahr einer Absturzkatastrophe näher rückt. Gelegentlich wagen Befürworter des Ausbaus sogar den Begriff "Verantwortung" auszusprechen? Auch dies ist einfach Täuschung: Bei jeder Katastrophe sind diejenigen, die daran mitschuldig sind, die ersten, die verschwunden sind. Das wird auch in Kiel so sein.
Die lokale und regionale Ärzteschaft wäre gut beraten, sich ihrer Verpflichtung zu präventiv-medizinischem Handeln zu besinnen: es ist weitaus humaner (und kostensparender), Krankheiten zu vermeiden als sie erst eintreten zu lassen und die Betroffenen dann langwierigen, kostenträchtigen und fraglichen Heilungsversuchen zu unterziehen. Sich durch öffentliches Engagement gegen offensichtlich gesundheitsschädliche Projekte schützend vor die Mitmenschen zu stellen, damit sie nicht zu Patienten werden, ist auch Teil der ärztlichen Ethik und wird von den Geschützten hoch geachtet.

Geschäftsverkehr
Es fehlt der Nachweis der bisherigen Auslastung der Fluglinien des Flugplatzes Kiel-Holtenau durch Geschäftsreisende und ob deren bisherigen Flüge überhaupt erforderlich gewesen sind. In einer Zeit, in der zunehmend Geschäftsbeziehungen und internationale Konferenzen über die verschiedenen elektronischen Medien sehr viel effizienter abgewickelt werden als durch "Vertreterbesuche", muß auch die Wirtschaft zur Einsparung überflüssiger und daher unnötig Menschen, Umwelt und Klima belastender und kostbare Ressourcen verschwendender Personentransporte aufgefordert werden. Die Bahn bietet hier die bessere Alternative, zumindest für die meisten Inlandflüge. Das hat endlich auch die Bundesregierung, vertreten durch den derzeitigen Bundesverkehrsminister Bodewig, öffentlich proklamiert. Lärm und Schadstoffe sind "Abfall" des Flugverkehrs, daher gilt auch hier gesetzlich das Vermeidungs- und Minimierungsgebot.
Es fehlt der Nachweis, daß in Zukunft geschäftliche Auslandsflüge nicht auch weiterhin über die jetzigen Großflughäfen getätigt werden können. Wer nach Australien, Japan oder den USA fliegen will, hat keinen Anspruch darauf, vor der Haustüre starten zu müssen.
Die bisher praktizierte "Auslastung" der Flugzeuge in Kiel-Holtenau durch Auffüllen mit Ministerialbeamten (= doppelte Subventionierung) ist ohnehin nicht gerechtfertigt, da für sie Dienstfahrten mit der Bahn (selbstverständlich 2. Klasse) wegen der besseren Nutzung der bezahlten Arbeitszeit z. B. für Fortbildung und Aktenstudium (gerne auch zum Nachdenken über die Steigerung der Gemeinnützigkeit ihrer hochdotierten Tätigkeit) wesentlich ergiebiger sein könnten.

Arbeitsplätze??
Dieses Argument wird immer als letztes aus dem Ärmel geholt, wenn alle übrigen nicht überzeugen können. Dabei hoffen die Betreiber, daß die – durch Unfähigkeit von Politik und Wirtschaft mit Arbeitslosigkeit belastete – Bevölkerung sich hiermit immer wieder täuschen und mundtot machen läßt.
Zur Erinnerung ein Beispiel: Es gab in diesem Lande einst einen Ministerpräsidenten G. Stoltenberg, der sich gern der "große Klare aus dem Norden" nennen ließ. Vor 20 Jahren wollte er – von wem und mit welchen Mitteln auch immer bewegt – das ehedem blühende Bauernland im Südwesten Schleswig-Holsteins (Region Brunsbüttel) in eine "blühende Industrielandschaft", ja in ein "Chemie-Zentrum" verzaubern. Und damit diese zu schluckende Kröte besonders schmackhaft wurde, versprach er damals "über 10.000 neue Arbeitsplätze". Geworden sind’s mal knapp 2.000, und von den dadurch vernichteten Arbeitsplätzen der Region und von der durch die jetzige (mit Atomkraftwerken zusätzlich belasteten) Industriewüste zerstörten Landschaft sprechen nur noch wenige.
Und wie sieht denn die vollmundig verheißene "Verantwortung" der hierfür Verantwortlichen dann aus, wenn dort eine große Katastrophe eintritt?
Die Realität: Der subventionierte Flugtourismus und der Einflug ausländischer Billigprodukte, die ebenso gut (oder besser) vor Ort produziert werden könnten, zeigt in der Bilanz, daß ein Ausbau von Flughäfen die Arbeitsmöglichkeiten exportiert. Wie viele Firmen mit wie vielen Arbeitsplätzen wurden denn im Großraum Kiel bisher durch den Flugplatz Kiel-Holtenau geschaffen und wie viele werden es nach dem geforderten Ausbau denn werden, und wer wird dafür mit welchem Gegenwert garantieren, und für wen? Lügen haben bekanntlich (siehe Beispiel "Brunsbüttel") kurze Beine. Und wie viele Arbeitsplätze werden durch die Belästigungen des nach einem Ausbau des Flugplatzes ständig wachsenden Flugverkehrs endgültig vernichtet??
Deutsche Unternehmer, stellte die Lufthansa fest, investieren zunehmend im Ausland, ausländische Unternehmen weit weniger in Deutschland. Wie viel Kaufkraft entzieht der wachsende Flugverkehr auch der Kieler Region?
Diese Zusammenhänge werden von den Gefälligkeitsgutachtern ihrer Auftraggeber ignoriert. Es besteht der dringende Verdacht, daß hier die von Politik und Wirtschaft verschuldete Arbeitslosenproblematik (siehe oben) zur Vortäuschung eines "für den Erhalt des Wirtschaftsstandortes Kiel dringend erforderlichen Ausbaus des Flughafens Kiel-Holtenau" – entweder aus Mangel an Intelligenz oder aber in perfider Weise – mißbraucht wird. Andere Landesregierungen, hier NRW im Falle des Flughafens Münster-Osnabrück, sind ausnahmsweise etwas ehrlicher: "Trotz höheren Verkehrsaufkommens werden Rationalisierungen die Vermehrung von Arbeitsplätzen verhindern ..." (Landesregierung NRW Drucksache 12/2629, 1997).
Beschäftigungspolitisch spielt der Luftverkehr keine Rolle.

Klimaschutz
Die Befürworter eines Flugplatzausbaus, die dabei übersehen, daß ein solcher die internationale Klimaschutz-Konvention Agenda 21 – zu der sich die Stadt Kiel einmal offiziell bekannt hat – zu einer Farce degradiert, haben wohl noch immer nicht begriffen, wie spät es ist und daß die menschengemachten Klimaveränderungen jetzt schon bei uns und weltweit spürbar sind und bereits die Kinder- (d. h. die jetzt 40 – 20-Jährigen) und noch stärker die Enkelgeneration treffen werden.
Eine weiterblickende, auch für die nächsten Generationen verantwortungsbewußt handelnde Politik muß

  • für einen wirklichen Klimaschutz auf eine deutliche Reduzierung des ökologisch unverantwortlichen Flugverkehrs allgemein hinwirken (und bevorzugt die Effizienz der Bahnverbindungen optimieren) und in diesem Zusammenhang das Flugbenzin endlich ebenso hoch besteuern wie andere Kraftstoffe auch;
  • verhindern, einen Lärm- und Abgas-trächtigen Flughafen in die Nähe einer großen Stadt oder gar mitten in ein Wohngebiet zu bauen;
  • sich stets im Klaren sein, daß eine Regierung – gleichgültig ob auf Bundes- oder auf Dorfebene – in einem demokratischen Staat auf die Mehrheit der Menschen hören muß.

Wenn die derzeitige Politik weiterhin für sich in Anspruch nehmen will, diese Staatsform sei eine demokratisch verfaßte, dann müssen unsere Volksvertreter, denen wir mit ihrer Wahl ein "Mandat" (d. h. einen Auftrag) anvertraut haben, alle ihre Kraft einsetzen, daß auch im Zusammenhang mit den Planungen eines Ausbaus des Flugplatzes Kiel-Holtenau der Schutz der Menschen (und der Natur) in der betroffenen Region höchste Priorität haben muß. Daher muß der Kieler Oberbürgermeister Norbert Gansel öffentlich bekennen, auf welcher demokratischen Grundlage denn, wie er sagte, "der Ausbau notfalls auch gegen die Interessen der Anlieger durchgesetzt werden müsse" ... (Kieler Nachrichten vom 05.04.2001).
Ich warne dringend vor der zwar gesetzeswidrigen, aber dennoch drohenden, weil regelmäßig praktizierten und daher auch in diesem Falle vorhersagbaren Salamitaktik:
Wird erst einmal ein kleines Zugeständnis den Betroffenen abgerungen, so folgen ständig heimliche oder auch offen dreiste weitere Ausweitungen der Flugplatzkapazität, und die Betroffenen haben keine Chancen mehr, sie zu verhindern. Diese Strategie der vorsätzlichen Täuschung ist bei allen derartigen Großprojekten zu beobachten.
Wehret den Anfängen!

Weit mehr als
150.000 Menschen
sind hier betroffen.

Aber gemeinsam
werden wir diesen
Wahnsinn verhindern!

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