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Rede der Abgeordneten Elke Kiltz zur Aktuellen Stunde "Auswirkungen der Entscheidung der EU-Kommission zum Flughafen Charleroi auf den Flughafen Frankfurt-Hahn" im Landtagsplenum am 11.0204

- es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident/Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

Über die Auswirkungen der Entscheidung der EU-Kommission auf den Hahn mache ich mir eigentlich nicht so viel Gedanken - und Ihre aktuelle Stunde bestärkt mich darin, daß sich die Flughafengesellschaft vermutlich innerhalb des Rahmens bewegt, den die Kommission vorgibt.

Aber warum legen Sie dann nicht die Verträge in ihren Eckpunkten offen und sagen außerdem, was sie der Ryanair für die sogenannten Incomming-Tourismus-Aktivitäten bezahlen?

Sie könnten doch aufräumen mit den Fragen und Unklarheiten, die viele im Land mit dem Geschäftsgebahren der RyanAir verbinden. Wenn Sie das nicht tun, nähren Sie Zweifel, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen und lassen Fragen offen.
Ich erinnere mich noch gut an die "Ländersache Streit" zum Thema Billigflieger, als die Pressesprecherin der RyanAir in die Kamera sagte "Wir bekommen nirgendwo Subventionen". Herr Kollege Mertes, Sie waren dabei!

Die EU-Kommission hat sie inzwischen eines besseren belehrt. Wir wissen alle, daß RyanAir überall auf den sogenannten Provinzflughäfen unverschämte Forderungen stellt und sich abwendet, wenn sie nicht erfüllt werden.

Beispiel Bremen

Beispiel Lübbeck

Straßbourg Baden-Airpark

Und natürlich fragt sich jede und jeder aufgrund dieser Informationen, ob RyanAir ohne solche Art von Unterstützung nur wegen des Charmes von Geschäftsführer Schuhmacher oder den Herren Mertes und Fleck im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ohne große finanzielle Zugeständnisse den Hahn als Drehkreuz ausgewählt hat.

Wir wissen alle, daß die Situation der Flughafengesellschaft vor dem Auftauchen des irischen Retters alles andere als rosig war. Die Defizitausgleiche sprechen eine deutliche Sprache.

Auch wenn die Fraport gerade als großer Gesellschafter eingestiegen war - der Hahn flog nicht wirklich. Und Sie meine Damen und Herren von der FDP und der SPD waren ganz schön in der Bredouille. Unter großem Druck, den Ausgleich für die Arbeitsplätze des Militärflughafens und die verlorene Kaufkraft nach dem Abzug des Militärs zu suchen.

Das, meine Damen und Herren, ist keine starke Verhandlungsposition gegenüber einem O'Leary. Er muß Ihnen doch erschienen sein wie eine Lichtgestalt.

Und er macht seine Sache ja gut. Er liefert Statistiken, er macht Sonderangebote ohne Ende und verschenkt auch Tickets, um die Zahlen nach oben zu kriegen - und genau das haben Sie gebraucht, damit sie endlich, endlich den Hahn als Erfolgsstory verkaufen können.

Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben nichts gegen eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung auf dem Hahn. Wir wollen sie allerdings nachhaltig.

Dazu wären - bezogen auf das Segment Billigflug, den zur Zeit einzigen Motor - mindestens die folgenden drei Voraussetzungen notwendig:

  1. die Verträge mit RyanAir müssen europafest sein.
  2. die Nachfrage nach dem Angebot von RyanAir und/oder anderen Billigfliegern muß nachhaltig sein
  3. die Flughafengesellschaft muß die Diversifikation vorantreiben und sich mittel- und langfristig aus der einseitigen Abhängigkeit von einer Fluggesellschaft lösen (Volare dümpelt eher vor sich hin)

Zum ersten Punkt könnten sie sehr schnell und wird andernfalls die EU-Kommission bald Klarheit schaffen.

Zum zweiten Punkt ist zu sagen, daß in absehbarer Zeit alle, die im Einzugsgebiet des Flughafens sind und schon immer mal kurz nach London, Pisa oder Montpellier fliegen wollten, das getan haben werden und auch bei neuen Zielorten ist diese induzierte Nachfrage endlich. Vom normalen Geschäftsverkehr, d.h. denen, die sowieso an die angebotenen Zielorte müssen und den Hahn wegen des Billigfliegerangebotes nutzen, wird RyanAir auf dem Standort nicht genügend Profit erzielen können, vermute ich.

Außerdem setzt eine nachhaltige Nachfrage in diesem Sektor voraus, daß die Kosten der Fluggesellschaft nicht gravierend steigen, damit die Billigpreise gehalten werden können. Was ist, wenn wir europaweit die Kerosinbesteuerung bekommen. Es gibt niemand, der nach ausreichender Information und ein wenig Überlegung die Befreiung des Flugverkehrs von der Minieralölsteuer gut heißt - außer der Flugbranche selbst.

Ich erinnere nochmal daran, daß das Fliegen die umweltschädlichste Art der Fortbewegung ist und wir eigentlich alle zusammen hier im Plenarssal der Meinung sind - gelegentlich bei anderen Diskussionsanlässen - daß soviel Kurzstreckenflüge wie möglich auf die Schiene müssen, aus klimapolitschen Überlegungen heraus.

Hier aber macht sich die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region davon abhängig, daß möglichst viel Billigflugpassagiere unterwegs sind.

Ich weiß, daß Herr Creutzmann wahrscheinlich auch dafür noch eine ökologische Argumentation hinbekommt, aber meine Hirmwindugnen sind noch nicht so "verkreutzt", daß ich solchen Gedankengängen folgen könnte.

Und kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, es sei doch so gut, daß sich jetzt endlich auch die nicht so gut Verdienenden einen Kurztrip nach Rom, Verona, Pisa oder sonstwohin leisten könnten. Nach dem Motto: Ihr müßt jetzt alle den Gürtel enger schnallen, auch die, die sowieso nicht soviel haben, dafür dürft ihr aber auch ein bißchen "Hot voille" beim Fligen nachmachen. Das schmeckt nach "Brot und Spielen" und wirkt eher zynisch.
Also: die Nachhaltigkeit der Nachfrage ist nach unserer Auffassung nicht gegeben und zumindest für die induzierten Flüge auch nicht grenzenlos wünschenswert.

Zum dritten Punkt. Diversifikation im Fluggeschäft auf dem Hahn. Volare, der zweite Billigfliger auf dem Hahn dümpelt vor sich hin. (Bekommt Volare eigentlich auch Geld für Incomming-Tourismus-Aktivitäten? Wäre im Rahmen der Gleichbehandlung ja wohl notwendig?)
Und wird von RyanAir entschieden bekämpft nach dem Motto: Warum sollte jemand anders groß werden, wo Herr O'Leary so fest im Sattel sitzt.

Diese Entwicklung ist fatal und macht mir persönlich wirklich Sorgen. Was ist, wenn aus welchen Gründen auch immer, RyanAir sich vom Hahn abwendet. Dann steht - gemessen an Ihren Aussagen - der Hunsrück ohne seinen Entwicklungsmotor da, sozusagen nackt und bloß im Hemd. Welches Szenario haben Sie dafür in Petto. Es wird nicht immer eine Lichtgestalt aus Irland oder sonstwo auf der Matte stehen, um den Leuchtturm der Konversion (Zitat Kollege Mertes) zum Leuchten zu bringen oder am Leuchten zu halten.

Wenn Sie jetzt sagen: Wir arbeiten doch heftig am anderen Standbein Frachtflug, sage ich: Lassen Sie die Vision von vielen großen vollen Frachtmaschinen 24-Stunden am Tag in der Schublade. Sie machen damit auf dem Hunsück mehr kaputt, als Sie sich jetzt schon vorstellen können. Und Sie werden mehr Gegenwind bekommen, als Sie sich jetzt vorstellen können. Wenn die Menschen erst einmal realisiert haben, was diese Vision für ihre eigene Lebensqualität bedeutet, wenn Tag und Nacht die Frachtflugzeuge brummen und was es für ihre Gastronomie, ihr Hotel und andere Betriebe bedeutet, werden Sie, meine Damen und Herren Verantwortliche, richtige Schwierigkeiten bekommen - mit Ihren Wählerinnen und Wählern. Noch mehr als unter dem Erfolgsdruck und den Unsicherheiten der jetzigen Situation.

Vorgestern waren 250 Leute auf einer Informationsveranstaltung zum Flughafen in Morbach: viele junge Menschen, Mütter mit Kindern. Menschen, die sich nicht für alles mit dem Argument Arbeitsplätze abspeisen lassen. Menschen, die nach dem Preis dafür fragen betreffend ihrer Lebensqualität und der ihrer Kinder. Und die - genauso wie wir die Nachhaltigkeit von Arbeitsplätzen hinterfragen und die Sinnhaftigkeit von Subventionen, die mit Hilfe ihrer Steuergelder getätigt werden.

Wir fordern Sie auf: Entwickeln Sie gemeinsam mit der Region ein Konzept für die Zukunft, in dem Sie den Personenflugverkehr auf dem Hahn diversifizieren und die flugunabhängigen Komponenten des Konversionsprojektes stärken.