Komisch: Laut Hahn-Gutachten endet der Fluglärm bei ca. 15km nach dem Abheben und in 2.000 Fuß-Höhe

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Wenn der Jumbo dröhnt, verstummen die Gespräche

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FR vermittelte eine Diskussion über Fluglärm bei Eiskaffee und Mineralwasser / "Wir müssen anfangen, uns wehren"

Von Toni Seib

Peter Kaiser will sich mit den lärmenden Flugzeugen über seinem Haus nicht abfinden. Vor Jahren entfloh er wie Eckhardt Guderian aus Hoch-Weisel dem lauten Frankfurt und zog ins ruhige Dörfchen Münster. Jetzt holt der Fluglärm beide ein. Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Offenbach, der in Bad Nauheim wohnt, hat von Berufs wegen ein anderes Verhältnis zu Geräuschen startender und landender Flugzeuge. Die Frankfurter Rundschau brachte die drei Wetterauer an einen Tisch. Bei Eiskaffee und Mineralwasser tauschten die streitenden Parteien ihre Argumente aus.

BUTZBACH. In einem Leserbrief an die FR machte Peter Kaiser am 29. Mai seinem Ärger Luft. Auf einen Kaffee in seinen Garten lud er jene ein, die am Lärm über dem östlichen Taunusrand zweifelten. Also auch DFS-Pressesprecher Raab, der in einem FR-Artikel von Fluglärm im Raum Butzbach nichts wissen wollte.

Peter Kaiser wohnt dort, wo viele von uns gerne Urlaub machen möchten. Vom Oberen Schildberg aus blickt er über ein kleines Tal auf die sanften Hügel der Taunusausläufer. Vögel zwitschern, nur hin und wieder stört der Heuwender eines Bauern die nachmittägliche Ruhe. Doch seit Mitte April weiß Peter Kaiser, dass er dem Moloch Frankfurt nicht entfliehen kann: Der Fluglärm vom nahen Fraport hat Peter Kaiser in der Idylle eingeholt.

Wir sitzen in seinem Garten. Dicke dunkle Wolken verdecken den Blick auf den Himmel. Ab und zu kreuzen startende oder landende Jets über uns. Wir hören sie, aber nervtötend ist der Lärm nicht. Wir hätten einen untypischen Tag erwischt, beteuert Kaiser. Oft seien Gespräche über den Gartenzaun nicht mehr möglich. Auch an Arbeiten sei nicht zu denken. Für ihn besonders bitter, denn er produziert für den Frankfurter Rundfunksender radio x Hörspiele und Klangcollagen.

So richtig erkennbar werden die Probleme von Peter Kaiser und seinen Leidensgenossen gegen 18.10 Uhr. Ein Jumbo versucht mit der Kraft der brüllenden Triebwerke auf seine Reisehöhe zu kommen. Grummelnd kündigt sich die Maschine an. Über uns bebt der Himmel. Als die Maschine uns bereits überflogen hat, wird es erst richtig laut. Der Jumbo dröhnt uns die Ohren voll. Das ist nicht mehr die Idylle von vorhin.

DFS-Sprecher Raab schätzt die Maschine auf 10 000 Fuß Höhe, das wäre die normale durchschnittliche Flughöhe im Bereich Münster. Tatsächlich, so ergibt dessen spätere Überprüfung, hat sie sich bereits auf 12 600 Fuß geschraubt, etwa 4000 Meter. Raab zeigt sich überrascht, dass der Jet in dieser Höhe noch so laut zu hören ist, vermutlich, "weil es sonst hier völlig still ist".

Über Peter Kaiser und Eckhard Guderian brach der Krach am 21. April herein, drei Tage nach der Änderung der Flugrouten des Fraport. Im Zwei-Minuten-Takt hätten die Jets ihre Bahnen über dem Himmel des Butzbacher Stadtteils gezogen. Mehrere hundert Flugzeuge pro Tag zählte er. Eckhard Guderian machte im benachbarten Hoch-Weisel die gleiche Erfahrung. Aus war es mit der Ruhe. "Der Traktor des Bauern, der im Feld arbeitet, gehört zur Landschaft. Aber nicht der Lärm startender Flugzeuge."

Axel Raab nimmt Geräusche anders wahr. "Ich habe eine andere Einstellung dazu", sagt er. Was ihm in Münster zu Ohren kommt, ist für ihn kein Fluglärm. "Andere denken anders", räumt er ein. Das Dröhnen der Triebwerke ist für den gelernten Fluglotsen Musik. "Ich finde es immer noch faszinierend, wenn ein Jumbo abhebt." Dass allerdings die Menschen in den Flugschneisen etwa in Weilrod, Schloßborn oder Oberreifenberg protestieren, kann er nachvollziehen. "Dort möchte ich nicht leben", bekennt Raab.

Der Streit zwischen Peter Kaiser und Axel Raab ist so alt wie das Industriezeitalter. Es gibt Gewinner des Fortschritts, aber viele Verlierer. "Früher bauten die Industriebetriebe höhere Schornsteine, wenn sich die Leute über den Schmutz beschwerten", bemüht Eckhardt Guderian einen historischen Vergleich. Mit dem Fluglärm, klagt Guderian, sei es heute ähnlich. Der Radius, in dem Menschen unter dem Gedröhne an- und abfliegender Düsenjets zu leiden haben, wird Jahr für Jahr größer.

Einfach gefallen lassen will sich zumindest Peter Kaiser die Plage nicht. "Wir haben hier eine intakte Natur, mit der darf niemand Schindluder treiben", meint er beschwörend. Fraport müsse nicht der größte Flughafen Europas sein. Das seien "hausgemachte Zwänge". Und: "In dieser Gemengelage hat man als Bürger nur die A . . . lochkarte."

Kaisers Schlussfolgerung: "Wir müssen anfangen uns zu wehren."

(Frankfurter Rundschau vom 05.07.2001)

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